Freitag, 29. November 2019
Die heutige Meckerportion entfällt, mal wieder, auf den Dauerschlachtplatz Finanzen; immerhin diesmal mit leicht veränderten Ausgangsbedingungen.

Nach wie vor werde ich am Ende meines Studiums hochverschuldet sein - inzwischen ist aber klar, dass es für den Master dennoch nicht reicht.
Die Tatsache, dass ich so lange für meinen Bachelor gebraucht habe/brauche, weil ich mit der anfänglichen Pendelei und generell mit meinem Kopfkrieg gewisse Verzögerungen drin habe, schießt mich in Sachen Studienkredit ins Aus.
Maximal die zwei kommenden Semester, die, so ich es schaffe, den formalen Abschluss des Bachelors und gleichzeitig die ersten beiden meines Masters darstellen, werden noch gefördert.
Danach maximal ein Jahr, also weitere zwei Semester, Pause, und dann geht es an die Rückzahlung.
Wenn ich also, mal wieder, die Regelstudienzeit überschreite, weil ich es in vier Semestern nicht packe, muss ich mit den Rückzahlungen anfangen, während ich noch am Abschluss arbeite.
Schade.

Stipendien, die sich groß die Förderung von benachteiligten Studierenden auf die Flagge geschrieben haben, wollen mich nicht -
ich bin zwar eine Frau (die sollen gefördert werden) und aus einem bildungsfernen Haushalt (mein biologischer Vater ist nicht sicher bekannt, der aktuell wahrscheinlichste Kandidat ist aber so weit weg von einem Studium wie ich von meiner ersten Million; Papa Mayhem hat einen Hauptschulabschluss, wie alle anderen vor ihm auch, meine Mutter war die Person mit dem besten Abschluss, Realschule, aber ist halt nunmal tot), wie man sich das wünscht; habe die deutsche Staatsbürgerschaft, studiere an einer inländischen Uni und in förderungsfähigen Studiengängen.
Außerdem habe ich ein gewisses Maß an Rückgrat, und würde der kulturelle Beitrag durch's Theater zählen, wäre ich sogar gesellschaftlich engagiert.
Man wünsche es sich, die Biografien der Geförderten positiv zu prägen - ja Mensch, das ist ja super, das versuche ich mit meiner eigenen auch, und ich könnte dabei echt Hilfe gebrauchen!

Leider bin ich, trotz dieser gewünschten Ausgangsbedingungen, auf die falsche Art benachteiligt:
im Bachelor bin ich zu weit und er und wird bald zum Master - man mag aber nur ersteren und dann wieder Promotionen fördern.
Bafög bekommen die wenigsten Normalsterblichen, dennoch ist das der Bezugsrahmen, den man für praktikabel hält und nach dem man sich richtet - passt echt gut zur Aussage, man wolle Studierende so unterstützen, dass sie eben nicht nebenher arbeiten müssen, sondern sich auf Studium und generelle Weiterbildung konzentrieren können.
Bafög bekomme ich aber nicht, denn den Leuten dort ist es bei der Berechnung egal, dass Papa Mayhem Schulden hat - theoretisch verdient er ja zu viel, und außerdem hat er schließlich nur das eine Kind. Da kann er gefälligst den Unterhaltshöchstsatz zahlen, ist doch egal, ob meine Mutter uns einen finanziellen Abgrund hinterlassen hat und der Mann, nach Jahren, immerhin so weit ist, dass er mir monatlich zwischen hundert und gelegentlich sogar zweihundert Euro überweist, mit denen ich die ü100 Euro, die die Krankenkasse von mir will (und ja, das ist das günstigste Angebot, wenn man noch bisschen Pflegeversicherung und, als Risikopatientin, die Möglichkeit, noch in diesem Leben ein paar Krebsvorsorgeuntersuchungen zu haben, möchte) zahle und je nachdem, wie viel genau rumkommt, mein Essen.
Mein Studienkredit versteht sich übrigens lediglich als "ergänzendes Mittel" für Menschen, denen ihr Bafög nicht reicht; man gehe nicht davon aus, dass das Format für die generelle Lebenserhaltung geeignet/ausreichend sei. Ha, ha!

Weil ich nun kein Bafög bekomme, finden die meisten Stipendien nicht, dass ich ihrer finanziellen Förderung würdig bin - klar, bedürftige Studierende, Fokus auf's Studium und so, Unabhängigkeit vom Elternhaus fördern, auf jeden Fall wollen wir das - aber nee, wer zum Gros der Studierenden gehört, die eben kein Bafög kriegen, den fördern wir nicht. Das wäre ja albern, wer kein Bafög kriegt, muss schließlich eindeutig reiche Eltern haben!
Verklagen Sie gefälligst die, wenn Sie Kohle wollen!

Dann ist da noch die Notenfrage. Überdurchschnittliche Leistungen gewünscht, verstehe ich. Woran man überdurchschnittliche Leistungen erkennt? Na, an den Noten natürlich, und nur an denen!
2,1er-Abitur, Langzeitstudentin, aber immerhin noch dran und langsam, aber stetig vorankommend, obwohl mich mein Hirn zwischendurch auffrisst? Reicht nicht.
Es ist keine überdurchschnittliche Leistung, als chronisch erkrankter Mensch mit Gruselbiografie zu studieren, wenn dabei nicht mindestens eine bestimmte Fachnote erreicht wird. Was? Ja, natürlich sehen wir die Stolpersteine, die die Gesellschaft (es ist immer die böse, fiese Gesellschaft, und das sind immer die anderen!) einem in den Weg legen kann, und wir sehen es als unsere Aufgabe, Ihnen über diese Stolperfallen hinweg zu helfen!
Also, wenn Sie eine gewisse Fachnote haben, noch im Bachelor sind, aber nicht zu lang, und die Bafög-Regelung sagt, dass sie Geld von denen bekommen würden.

Oh, und wenn Sie sich so engagieren, wie wir Engagement definieren, auf eine Art, die uns gefällt.
Denn natürlich wollen wir, dass Sie frei und unbesorgt studieren können, dabei machen Sie aber bitte nur solche Dinge, die zu unseren politischen Vorstellungen passen. Unsere politischen Vorstellungen sprechen von Menschlichkeit, Gleichberechtigung, Unterstützung von Personen in besonderen Umständen - deshalb fördern wir solche Menschen. Also, wenn ihre besonderen Umstände uns passen, und auch nur mit unserer eigenen Definition von Fairness. Alles andere wäre ja albern.


Ich bin aktiv auf Nebenjobsuche, auch wenn es ein Balanceakt wird, den auch noch irgendwo reinzuquetschen, wenn ich weder Therapie, noch Studium an den Existenzrand schubsen will; immerhin beruhigt das mein Gewissen, das darüber schimpft, dass ich studienkreditfinanziert studiere.
Oder habe, der läuft ja nicht mehr ewig.
Der Witz ist, dass jeder von Bafög und Stipendien spricht, die Realität dem aber nicht gerecht wird.
Finanzierung durch Eltern und Nebenjob, oder mehr Nebenjob.
Entweder das, oder du verschuldest dich eben. Oder kombinierst diese Möglichkeiten.
Und gnade dir Gott, wenn du länger brauchst und es deswegen eng wird.
Natürlich ist Bildung ein wichtiges Gut und für jeden zugänglich.

Kein Wunder, dass ich mich faul und nichtsnutzig fühle, weil ich nicht genug Leistung bringe.
Der Knackpunkt ist: ich glaube, das ist meine Psyche, die das sagt.
Ich bringe Leistung, daran glaube ich inzwischen. Wenn ich etwas zustande bringe, ist es meistens gut und manchmal sogar großartig -die Großartigkeiten vollbringe ich leider aber selten in Bereichen, die man in eine Bewerbungsmappe stecken kann.
Und eigentlich,finde ich inzwischen, bin ich auch gar nicht so nichtsnutzig. Ich habe einen Plan, und zwar nicht immer einen Weg, aber immer eine Richtung (wie ein Lada. Lada braucht keine Straße, Lada braucht nur eine Richtung. Tolles Auto), ich habe moralische und ethische Vorstellungen, hinter denen ich stehe, und eine Persönlichkeit auch.
Davon kann man aber kein Studium bezahlen.
Und es ist nichts, was eine Bewerbung aufhübscht.

Meine Bewerbungen werden nicht schöner dadurch, dass ich sprachlich ein bisschen was auf dem Kasten habe und Meisterin des "Trotzdem"s bin. Egal, wie sehr ausgelobt wird, die Individualität sei wichtig, die Persönlichkeit, der Lebensweg, der sich einem eröffne und den man gehen können sollte - ich falle durch dieses Raster, ohne auch nur ein bisschen Dreck am Rahmen kleben zu lassen.

Das ist ok, ich nehme das als Fakt an, jeder Mensch, jede Stiftung, jeder Träger darf selbst entscheiden,wer wie unterstützt wird.
Wenn diese Entscheidung aber getroffen wird, während man auf die böse, böse Gesellschaft schimpft, die keinen Platz für Menschen aus besonderen Verhältnissen oder mit besonderer Biografie lässt, und beschwört, man sei da anders, man sehe nicht Zahlen, sondern Menschen, diese wolle man unterstützen, damit sie sich auf ihr Studium und ihre Ideale konzentrieren können; man wolle sie fördern, damit was aus ihnen wird, sie sich qualifizieren, das Ruderboot umdrehen und die Karten neu mischen können...
dann halte ich das für bestenfalls realitätsfremde, ansonsten aber verlogene, scheinheilige Kackscheiße, die nicht nur am Ziel vorbeischießt, wie es beim gar nicht mal so arg verbreiteten, gar nicht mal so hilfreichen Bafög der Fall ist, sondern es pervertiert oder mindestens hart auslacht.
Und ich werde keine Stiftung, die sich als einer Partei nahe definiert, durch mein Engagement, sei es als Studentin oder danach, unterstützen, die so eine verdammte scheinheilige Scheiße verzapft. Mimesis, das "ich tue, als ob" und "ich sehe aus, wie" hat im Tiereich ihren Platz, oder bei Black Metal Bands, die mithilfe ihres Makeups aussehen wie grimmige Pandas oder unzufriedene Hamster.
Aber nicht bei Institutionen, die auf andere Institutionen schimpfen, obwohl sie selbst genau den gleichen Bockmist veranstalten.
Ich verlange weder, dass mir irgendwer ein Stipendium nachschmeißt, noch, dass irgendwas an den Regeln, die mit diesem verbunden sind, geändert wird.
Aber wer die Regeln aufstellt, steht gefälligst zu ihnen. Ohne eine Prise Puderzucker drüber zu streuen, damit es hübscher aussieht und man sich wohltätig fühlen kann.
Ehrlichkeit, bitte.

So, wie die Leute im Bafög-Amt der Unistadt.
Die haben von Anfang an gesagt, ihre Aufgabe sei es weder, besonders sozial zu sein, noch, besonders viele Menschen zu erreichen; es handle sich um ein festgesetztes Darlehen, das unter festgesetzten Bedingungen ausgezahlt werden kann. Nicht mehr, und nicht weniger.
Kein Gerede von Fairness, Gleichberechtigung, Unterstützung schwieriger Fälle mit besonderen Biografien, oder irgendwas anderes, was dann doch nur selektiv zutrifft.


Sogar die Katholiken (um mal eine Lanze für die Religionsgemeinschaft, der ich angehöre, zu brechen) sind da sozial, weil ehrlich.
Kein Mann? Ok, das und das fällt weg.
Nach dem Gesetz der Nächstenliebe lebend, wenn auch nicht als solches betitelt, sondern den Begriff "basale menschliche Kompetenz aka "Sei kein verdammtes Arschloch" wählend? Die Ausdrucksweise ist verbesserungswürdig, aber wir nehmen das mit der Nächstenliebe schon auch ein bisschen ernst.
Hier ist ein Antrag für ein zinsfreies Darlehen, den Sie in Ihrem letzten oder vorletzten Semester stellen können - vorher bringt Ihnen das nichts, weil der Betrag festgelegt ist und nicht länger reichen wird. Keine Garantie, dass der durch geht, und sie werden das komplett zurückzahlen müssen. Aber Sie können den Antrag stellen, Sie fallen nicht unbedingt durchs Raster.
Egal, wie alt Sie dann sind, egal, was Ihre Noten dann machen, und egal, ob uns Ihr Lebensweg passt oder nicht - für die generelle Qualifikation reicht es uns, zu wissen, dass Sie das Geld brauchen und Ihnen was daran gelegen ist, dass Gottes Schöpfung nicht komplett den Bach runter geht.
Auch, wenn Sie aussehen wie Satan selbst.