Donnerstag, 7. November 2019
In der Maulwurfjagd meiner aktuellen Lebenssituation gibt es wenig Erfolge, aber immerhin etwas Abwechslung:
Je nachdem, wer gerade am Hebel sitzt, erwischt mich entweder der Holzpfahl (Großvater Mayhem hat einige Nachmittage damit zugebracht, lange, angespitzte Holzpflöcke in jeden Maulwurfhügel zu jagen, der sich in unserem Garten zeigte) oder das, was dafür zuständig ist, einen in den endlosen Erdtunnel zu schubsen.
Dann falle ich, bis zum Mittelpunkt der Erde und auf der anderen Seite wieder raus und in's Weltall. Dreck in der Fresse und dreckfressend, Der Maulwurftunnel in die Hölle, an ihr Ende und ins grausamtaube Nebelnichts führt durch Jahrtausende an Erdeich und ist selten ordentlich. Manchmal kommt es zu Stau oder stockendem Verkehr, weil eine Gesteinsplatte rutscht, ein Lavastrom Hochwasser hat, oder ein Regenwurm links abbiegen will.

Gerade sind wieder Maulwurfhügeltage; solche mit SaurerRegenSturmflut in den Gängen als dritte Option der täglichen Vergehens- und Auferstehungsroutine.

JedesMaildergleicheScheißverdammtnochmalichkommdaniemalsraus. Dass die Grundbesetzung dieser Geisterachterbahnfahrt in Teilen konstant bleibt, taugt tendenziell eher wenig zum Trost. Rutschen in alte Muster weil ich den Scheiß nie richtig gebacken kriege ist vielleicht "Symptome, die wiederkommen", aber was bringt mir das im Endeffekt?
ich krieg's nicht hin mit der Uni, mit nem Schlafrhythmus, mit Alltagskram; damit, nicht in Endlosverzweiflung, Schamgefühl, Selbstvorwürfen, Überzeugung von meiner Unfähigkeit, Faulheit, Hässlichkeit und der Tatsache, dass ich mein irgendwann mal vorhandenes Potential verschenkt und mich in eine Sackgasse eingemauert habe, zu versinken. Egal, wie oft ich mir vorbete, dass es auch Sachen gibt, die klappen, egal, wie oft ich versuche, mich auf Positives zu konzentrieren, es abprallen zu lassen und weiter zu machen, ich verliere immer wieder den Boden unter den Füßen, wenn ich gerade dabei war, auf ihn zu vertrauen
Der Gewöhnungseffekt versäumt es, eine Abstumpfung mit sich zu bringen, es tut sich immer wieder der Boden auf und lässt mich fallen und beinahe ertrinken.
Ich habe ein Talent dafür, dem um Haaresbreite zu entkommen, aber auch genug Naivität und Trotz oder Verzweiflung in mir, um jedes Mal wieder davon überzeugt zu sein, dass das unmöglich das ist, wie ein Leben eben passiert; diese Geisterachterbahn mit Torture Chamber Haunted House - Effekten.
Plötzlich im Mühlrad hängen und die immergleichen Wiederholungen. Selbstsabotage (oder Unfähigkeit, oder Symptome?), Angst, Sichsachenverbauen, Selbstekel, noch mehr Angst, die Sackgasse, in die ich mich selbst steuere(?) und aus der ich nicht mehr rauskomme, die lichten Momente, auf einmal wieder ein Maulwurfhügelmoment, gepfählt werden oder fallen, die Tage bestehen wieder nur aus Dingen, die ich nicht geschafft habe, immer mehr Steinen auf dem Weg, immer weniger aushalten können, immer mehr traurigverzweifeltgereiztagressivverlorenschämendhoffnungslosrebellierend.
Es passiert immer wieder das gleiche und ein Fragefenster ploppt auf, in dem mich die Microsoft-Hilfebüroklammer fragt, ob ich vielleicht Hilfe dabei brauche, mich daran zu gewöhnen, weil die Versuche, es zu ändern, doch immer wieder scheitern.
Dennoch starte ich jeden Versuch im Glauben an die Möglichkeit, dass er zumindest teilweise gelingen kann; ob neues Semester, neue Therapeutin, neuer Abnehmversuch, oder Sozialinteraktions-Experiment. Und dann geht es schief und es ist meine Schuld und ich steh wieder da, staunend - ob darüber, dass ich es dennoch versucht habe, oder darüber, dass ich tatsächlich geglaubt habe, es schaffen zu können, ist unterschiedlich.

Ich bin also gefühlt wieder auf Start.
Unibesuchen klappt nicht richtig, Uninachbereitung erst recht nicht. Besuch in der Höhle des Studienkredit-Satans? HA, schön wär's, ich bin ja schon froh, nach mehreren Wochen gestern endlich den Semesterbeitrag an die Krankenkasse gezahlt zu haben, und das sind nur ein paar Online-Klicks. Und wenn ich noch ein einziges Mal höre, mach doch 'ne To-Do-Liste, oh, das wird doch langsam dringend, hm, wie läuft's denn in "wichtiger anderen Lebensbereich xy", was macht denn die BA, etc, kriege ich einen verdammten Anfall werde ich freundlich, aber bestimmt darauf hinweisen, dass das nicht hilfreich ist, weil es Batteriesäure in die Wunden ist mir noch mehr Druck, Unfähigkeitsgefühl und Emotionen auffrachtet und dafür sorgt, dass ich mich noch verlorener und unfähiger fühle. Angenehmerweise akzeptiert die Therapeutin meine nachhaltige Abneigung gegen To Do-Listen, findet Freude-Tagebücher ebenfalls doof und glaubt mir, dass ich das schon alles im Kopf/auf dem Schirm habe, aber die Entscheidung, nicht darüber zu reden/es gerade nicht aus dem Aalfass zu angeln, in den meisten Fällen eine bewusste zur Vermeidung größerer emotionaler Schmerzanfälle ist. Dass ich es schon bearbeite, auch Unangenehmes, aber das Rauszerren von/"Erinnern an" Dinge(n), über die ich zu diesem gegebenen Zeitpunkt nicht reden möchte, das Tor zur Hölle aufreißt und mir im besten Fall nur den ganzen Tag versaut oder eine temporär beschränkte Maulwurfhügelrunde startet. Ja, meine Sensibilität ist so ein Stück weit persönliches Pech, der Umgang damit erlernbar, und ich bin gottfroh darüber, dass es Verhaltenstherapie und halbwegs gute Antipsychotika gibt, aber manchmal, da würde ich am Liebsten einen Termin beim Lobotomobil ausmachen - da ich zwar relativ ver-/gestört, aber nicht vollkommen lebensmüde bin und der Besuch von medizinischen oder anderweitig autoritätstragenden Einrichtungen (und das dafür notwendige Terminausmachen) bereits in weniger zwielichtigen Situationen ein Maximum an Vorbereitung und mittelsanfter mentaler Gewalt gegen mich selbst erfordert, verzichte ich allerdings dankend darauf und werde mir stattdessen ein Informationsschild umhängen, um Menschen bereits vor dem Beginn eines Kommunikationsaktes darum zu bitten, mich nicht zu fragen, wie die Uni/die Finanzplanung oder andere Projekte des Alltags laufen, sondern stattdessen vielleicht einfach, wie es mir geht.

Gerade: aus einer Verzweiflungskurve (Hausaufgabe nicht hochgeladen, Mail geschrieben und um Gnade gebettelt) in Stress und innere Anspannung/Gereiztheit kippend, weil ich Idiot gesagt habe, dass ich bereit bin, heute das Haus zu sozialen Zwecken zu verlassen, was in mir in etwa die Begeisterung hervorruft, die Jesus an Karfreitag empfunden haben mag, Absagen aber in etwa die Menge an Schuldgefühl hervorrufen würde, die Judas vermutlich in der gleichen Situation beschäftigt hätte.

Gott, ich hab' keinen Bock auf den Scheiß und will mich einfach nur in Ruhe daheim vergraben und nichts produktives machen, obwohl ich das dauernd mache, ich bin kurz davor, Judas Judas sein zu lassen und abzusagen, Reservierung und 'ne Könnteeinefreundinwerden, die dann alleine hin muss, hin oder her; kenne meinen Hang zu Impulslastkurzschlüssen aber zu gut, um es nicht rauszuögern, indem ich mich zum weiterschreiben und parallelreflektieren zwinge.
Hat schließlich keiner gesagt, dass das hier Quality Content ist.