Samstag, 30. November 2019
Die Katzen bekommen einen Trinkbrunnen und ich mal wieder Finanzpanik, also nehme ich einen Auftrag an, der heute Nacht fertig werden muss.
Produktbeschreibungen, feminines Mädchenzeug, sowas.

Für den Kunden habe ich schon mal geschrieben; sie waren so vermessen, mir vier von fünf Sternen in der Bewertungsskala zu geben, haben meine Texte aber komplett unverändert auf ihre Seite übernommen, ich habe interessehalber mal nachgeschaut; wunderschön.

Überhaupt - da sitzt ein Hersteller, der gerne hätte, dass sein Mode-Style-Kram besonders ist, gibt das als Auftrag an Online-Texer-Vermittlungs-Seiten weiter und hofft einfach, dass unter den ganzen Studenten, Akademikern und sonstigen verzweifelten Seelen jemand ist, der sich zwar unter Wert verkauft, aber trotzdem gut genug arbeitet.

Und dann sitze da ich, vermutlich andere Ecke des Landes, Freitagnacht, wenn andere feiern gehen, nach was-weiß-ich-wie-vielen-Tagen ohne Haarwäsche, und stelle mir vor, eine junge Frau mit zu viel Geld, zu wenig Persönlichkeit und einem Gespür für Trends zu sein.
Schreibe da was zusammen, immer wieder spaßig, sich für Produkte, die, bis auf ein winziges Detail, komplett gleich sind, vollkommen unterschiedliche Beschreibungen zu basteln,
und google den Auftraggeber
und schaue mir das so an
und bin mächtig stolz.

Da verkauft jemand Sachen, die noch viel teurer sind, als ich eigentlich dachte, und sie haben Namen, die ich mir ausgedacht habe, ud Beschreibungen, die ich getextet habe!
Mein Hirnschmalz, Herzblut (generell, und auch bei Fashionkram - ich bin Germanistin, und wenn ich schreibe, so richtig, für mehr als den Selbstzweck, dann mache ich das ordentlich. Go gscheid or go home), ein paar Mililiter E-Liquid, wenn das so weiter geht, insgesamt locker eine halbe Flasche Wein* sind da reingeflossen, und es steht genau so, wie ich es geschrieben habe, auf der Seite.
Wenn Sie spontan beschließen, Ihrem inneren Fashion-Girl Ausdruck zu verleihen, indem Sie Ihr halbes Gehalt zum Fenster rausschmeißen in schöne Dinge investieren, kann es sein, dass es gerade meine Produktbeschreibung ist, die Ihr Gehirn da hin schubst.
Sie werden es niemals erfahren, ich werde es niemals erfahren; höchstens, wenn wir uns mal begegnen und ich eines der beworbenen Stücke an Ihnen wieder erkenne.

Ich feier mich gerade schon ein bisschen.
Dafür, dass ich mit der Texterei was gefunden habe, was ich gerne mache und eventuell dennoch als EInnahmequelle nutzen kann.
Keine Ahnung, wie ich sowas jemals in eine Referenzmappe packen soll, aber es macht mir Spaß.
Das schimpfen und fluchen und meckern, das Kichern über Klischeekram, der Luxus, Freitagnacht in meinem Bett zu sitzen und gegen die Einsamkeit und den finanziellen Ruin anzuschreiben, Cent für Cent und Euro für Euro.
Ich könnte so leben.
Ehrlich, ich könnte mir vorstellen, so zu leben - schreiben, Therapie, Theater, schreiben, zwischendurch mal soziale Kontakte pflegen und Lebensmittel einkaufen, schreiben.
In Zielgruppengehirne kriechen und sie auf links krempeln, method acting ist mein Schreibstil, und er funktioniert.
Also, wenn ich funktioniere. Das ist ja so eine Sache.
Aber hey, ich arbeite dran.

Wie auch an meinen Produktbeschreibungen - zu denen könnte ich mal wieder zurückkehren.
Aber ich wollte das gerade hier festhalten, den Positivmoment - er trübt sich wieder ein mit der Frage, warum ich alles mögliche betexten kann außer meinem Unikram, und meine Handgelenke (diesmal betont rechts, letztes Mal war es eher das linke) möchten mich erneut darauf hinweisen, dass wir in letzter Zeit sowohl handschriftlich als auch am PC ein bisschen sehr aktiv sind, aber dann soll das halt versuchen, mir die Laune zu verderben.
Mir auch egal.
Mein Sechzehntel Rotwein ist geleert, ich überlege, ob ich mir noch eines einschenke und damit dann diese Woche ein Achtel getrunken habe. Und wie ich drei Produkten, die, abgesehen von einem winzigen kleinen Detail, vollkommen gleich sind, drei vollkommen unterschiedliche Beschreibungen zuteil werden lassen soll. Schon wieder.

Wäre das mein richtiger, echter, hauptberufmäßiger Job, ich fänd's geil.

Scheiß auf den Traummann/die Traumfrau, das Eigenheim (meine Studienkreditschulden sind hoch genug, um anderen Menschen, je nach Gegend, das ihre zu finanzieren), ich hab' sowas von gewonnen.
Keine Million und keine Life Goals der beeindruckenden Art, aber eine Identität als pflanzensammelnde, katzenherdehaltende, düstermetallische Spätnachtstexterin (added Bonus: Langzeitstudium, Lebenskrisen, Kopfkrieg).
Vielleicht ist das für andere nicht viel, aber für mich ist es schon ziemlich nahe an Perfektion.

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*Entgegen des eventuell entstehenden Eindrucks habe ich kein Alkoholproblem - getrunken wird bei der Arbeit seltenst, vorwiegend in Nacht- oder Stressschichten, und auch nur als mentales Gleitmittel, wenn ich mal wieder in die Gehirne solcher Kundengruppen reinflutschen muss