Montag, 25. März 2013
Wenn man nach fast fünf Monaten feststellt, dass einem definitiv doch was am Partner liegt, ist das prinzipiell sehr erfreulich und bietet Happy End-Potenzial.

Wenn auch nach wochenlangem Nicht-Sehen ein einfaches Auftrittsfoto von Mr.Gaunt ausreicht, um meine neugewonnene und noch ziemlich fragile "Ich bleibe beim Raucher"-Überzeugung in ihren Grundfesten zu erschüttern, zerwalzt das alles Happy End-Potenzial und ist richtig beschissen schmerzhaft.


Morgen Vaterschaftstest, danach ein Besuch beim frohmbwahsroten Polo, der mir eigentlich sowas von egal ist, genau wie meine (nicht vorhandene) Sicherheit in meiner französischen Klapperkiste und überhaupt fast alles.
Vier- bis fünfhundert kriege ich wohl noch fürs Mayhemmobil im jetzigen Zustand, mehr wäre drin, wenn ich sehr viel Glück hätte oder es wie der Autohändler damals machen und potenzielle Käufer halblegal über den Tisch ziehen würde.
Mache ich aber nicht.
Weder Leute über den Tisch ziehen, noch auf mein Glück vertrauen.


Eigentlich will ich mein Auto nicht hergeben.
Kann aber auch nicht damit leben,wenn es von selbst beschleunigt und auch bei Plusgraden mindestens sieben Minuten braucht, um asthmatisch röchelnd dann doch noch anzuspringen, irgendwann.
Alles andere sehe ich inzwischen als charmante kleine Macken an, oder als Herausforderung.


Und eigentlich will ich keinen Liebeskummer trotz halbwegs glücklicher Beziehung, und das ganze Chaos, das sich ergibt, weil meinem bekloppten Herz einfällt, dass der Raucher zwar doch irgendwas bedeutet, aber das blöderweise überhaupt nichts an der Situation mit Mr.Gaunt ändert, erst recht nicht, und mein Wohnungschaos, und mein Gedankenkarussell, und akute Einsamkeit, und die ganzen Ängste und Angstzustände,die mein Gehirn produziert, auch nicht.


Aber ich hatte ja schon immer Probleme damit, meinen Willen gegen höhere Mächte durchzusetzen, egal, ob es meine Mutter, Papa Mayhem, das ominöse Schicksal, oder nur meine eigenen Gefühle waren.




Samstag, 23. März 2013
Thema: monolog


*Die ersten Töne des Liedes werden gespielt*
Ein verwahrlostes Jugendzentrum in einer Kleinstadt, davor einige Autos.
*Das Schlagzeug setzt ein*
Der Fremde betritt die Bühne, ihm folgen diverse Ghettomädchen.
-Zeitsprung-
Man sieht den Innenraum des Jugendzentrums, darin abgeranzte Sessel, in denen bekiffte oder betrunkene Ghettomädchen und Gangsterboys sitzen, während ein Computer vermutlich schlechte Diskomusik spielt.

Und dann betritt Frau Mayhem die Bühne.
*Einsatz Gitarre*
An ihrer Seite befindet sich der Raucher, in ihrer Tasche befinden sich drei Flaschen Wein fürs Geburtstagskind, eine Pulle Billigbaileys für sich selbst und eine Schachtel Kippen.
Mögen die Spiele beginnen.


Und ich stiefle da so rein, ganz locker, ganz cool, ganz selbstbewusst, meinen angetrunkten-angenervten Freund an meiner Seite und mit der festen Überzeugung, dass die Welt untergeht.
Aber was macht das schon? We carry on, ich gebe die Weinflaschen beim Geburtstagskind alias dem Fremden ab, lasse mich umarmen, mir einen Wangenkuss aufdrücken, rede mit ihm, mit dem Dumb-(B)ass(isten), mit der Egoschleuder, mit dem Grinch, Ghettomädchen und überhaupt allen, und dabei hinterlasse ich sogar einen guten Eindruck.
Eigentlich fühle ich mich ganz furchtbar verloren unter den ganzen Leuten und allein gelassen mit der Situation, aber mein Herz ist auf Krawall gebürstet, deshalb stiefle ich da durch, klicke auf andere Musik, als mir die Technokotze endgültig zu viel wird, lasse die Ghettoslamsalven, die daraufhin erbarmungslos auf mich niederprasseln, an mir abprallen und tue das, was der Raucher auch macht, wenn ihn wieder mal alles nervt: Eine rauchen.

Wenn ich vom Rauchen wiederkomme, habe ich jedes Mal mindestens eine neue Bekanntschaft geschlossen, und während diverser Aktiv- und Passivrauchpausen freunde ich mich so gut mit der Egoschleuder und dem Dumb(b)ass(isten) an, dass ersterer mich fragt, ob ich in seiner Band das Keyboard übernehmen will und letzterer anbietet, mir seinen Bass auszuleihen, weil ich ihm erzählt habe, dass ich eigentlich immer nur Schlagzeug und Bass spielen lernen wollte (irgendwie wurde dann doch Keyboard draus. Vor 12 Jahren. Und Gitarre. Vor 4 Jahren).

Ich schaffe es sogar, ein bisschen mehr zu trinken ohne dass die "Suchtverhalten!!"-Alarmleuchte in meinem Kopf anspringt, schimpfe mich ein bisschen fürs Rauchen und den Mann an meiner Seite fürs Saufen, aber als er dann bei vier Litern Bier angekommen ist, sage ich mir so, Scheiß drauf, folge der Aufforderung des Fremden, mit ihm und dem Musiker ein paar Lieder zu covern, zittere vor lauter Nervosität so sehr, dass ich die falschen Töne anschlage, bis mir auffällt, dass uns sowieso fast niemand zuhört, und ziehe nur abschätzig die Augenbraue hoch, als das Fangirlie zur Quietschekreischmeckerarie übergeht, weil _ihr_ Fremder doch versprochen hatte, dass sie Lied Nr. 3 mit ihm singt.
*Intro wird ab Einsatz d. Gitarre wiederholt*
Frau Mayhem drückt dem Fangirlie das Mikrophon mit dem miesesten Grinsen seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte in die Hand.
Fangirlie krallt es sich so brutal und schlägt es nochmal gegen die Nagelkante Frau Mayhems, dass dabei, rein zufällig natürlich, einer der liebevoll aufgeklebten und eigentlich bombenfest sitzenden Kunstnägel von deren Krallenhand abgeklappt/-gerupft wird.

Fangirlie mit einem süffisanten Grinsen : Oh, hab ich dir den Nagel umgeknickt, das tut mir aber Leid! Dauert bestimmt ewig, bis der nachwächst.

Frau Mayhem an Schmerzen gewöhnt: Ach, ist gar nicht so viel passiert, ich...

Fangirlie unterbricht sie: Doch doch, da ist ja ein richtig großes Stück abgebrochen, das tut mir jetzt ja echt ultra Leid. Lächelt spitzmündig.

Frau Mayhem: Passt schon, sind eh Kunstnägel. Schnippst den am Mikro hängenden Kunstnagel gegen den Hals des Fangirlies, von wo aus er unbeabsichtigt in dessen metertiefen Ausschnitt rutscht.
Oh, das tut mir jetzt aber Leid.
*Frau Mayhem ab.*


*Es erklingen abermals die ersten Töne des Liedes.*
Wohnzimmer des Rauchers.

Auf dem Sofa liegt Frau Mayhem, allgemeinen Weltschmerz veratmend, während der Raucher gerade versucht, mit seinem Fön den Holzofen anzuzünden.


Auf großartige Leistungen folgt meistens großer Absturz, und irgendwo auf dem Weg vom Jugendzentrum zurück zum Raucher schlägt alles über mir zusammen, was ich so vor mich hin verdrängt habe, und ich könnte wahlweise heulen oder mich vor ein fahrendes Auto schmeißen, mit hundertprozentiger Garantie aber eine Umarmung gebrauchen.
Rafft der Mann an meine Seite natürlich nicht, der jammert nur, dass besoffen bergauf laufen richtig scheiße ist, und dann zuhause, dass es so kalt ist und sein Feuerzeug leer.
Mein Angebot, ihm Streichhölzer zu geben, ignoriert er ebenso wie die Anmerkung, dass man sich sowieso demnächst zu Bette begeben und die Kombination Heizung+zwei Decken+zwei Menschen generell schon ganz gut für Wärme sorgen würde, und fünf Minuten später ist das ganze Wohnzimmer mit einer feinen, weißlichen Ascheschicht bedeckt.
"Ich hab das früher schon oft so gemacht!", versucht er, sich zu rechtfertigen.
-"Passt schon."
Denke an meine Mutter. Damals.
"Echt jetzt, das hat immer geklappt!"
An meinen Vater, der vielleicht nicht mein Vater ist.
"Ohne Mist, jetzt glaub mir halt!"
An mein Auto, dessen Fehlerspeicher totgelegt wurde.
Und das ich eventuell bald verkaufen müsste/sollte, weil das so keinen Sinn mehr hat, dauernd ruckelt und zuckelt, ich damit nächstes Jahr bis nach Hamburg auf Seminare fahren muss und ich für das Geld plus vor allem einen von Papa Mayhem versprochenen Zuschuss ein anderes ohne Verlustgeschäft kaufen könnte. Einen Polo. Den Polo. Frohmbwahsrot, wie meine Mutter immer gesagt hat.
Einen Frohmbwahsroten Polo, gefunden von der Vatersfreundin. Sofort mich angerufen, sofort fotographiert. Zwanzigfach.
"Ey Schatz, jetzt hör mir doch mal zu, ich hab echt..."
Sollte es mich unruhig stimmen, wenn meine emotionale Bindung an mein Auto stärker ist als die an diverse Menschen, sodass mich nichtmal die Aussicht auf einen frohmbwahsroten Polo wieder aufbauen kann?
"..den Ofen früher immer..."
Ich denke an Abitur, Weltuntergang.
"...so angemacht, das klappt super!"
An meinen angedachten FSJplatz, die Arbeitsstelle dort.
Weltuntergang.
"Ach ich leg mich jetzt ins Bett...wir ham schließlich zwei Decken."
An meinen langsam, aber sicher das Licht der Welt erblickenden Weisheitszahn, an Mathe, an den Vaterschaftstest, an mein Auto, an fünf Seminarwochen nächstes Jahr, ans Abitur, an Mr.Gaunt, an die furchtbare Arbeitsstelle, wieder an Mr. Gaunt, daran, dass ich es erst noch schaffen muss, den Fremden auf 0% runter zu schrauben, dass ich seine Geburtstagsfeier aber echt gut überstanden habe, wieder an Mr.Gaunt, dass Rauchen scheiße ist und wie krass es ist, dass ich dadurch so viele Leute kennengelernt und ein bisschen Selbstsicherheit gewonnen habe, wieder an mein Auto, Mr.Gaunt und zurück zum Anfang.

Irgendwann schlurft der Raucher mit Schmollgesicht ins Wohnzimmer, hebt mich entschlossen hoch, trägt mich ins Bett, wickelt mich in eine Decke, legt seinen Kopf auf meiner Schulter und seinem Arm um mich rum ab, schnaubt zufrieden und schläft beinahe auf der Stelle ein, um anschließend die Wände und mein Trommelfell durch ohrenbetäubendes Schnarchen zu erschüttern.

Irgendwann wird alles gut.
Bis dahin, einfach weiteratmen.
We carry on...




Sonntag, 17. März 2013
Thema: von herzen
Dieses Gefühl
das auf einmal da war, als du es nicht warst

und wieder kam, als du gehen wolltest,
sodass ich angefangen habe, zu weinen
Weil ich dich vermisst habe

bevor du überhaupt weg warst,
und mich gleichzeitig furchtbar schlecht gefühlt habe

Weil ich egoistisch bin
wenn ich dich überzeuge, hier zu bleiben

damit ich nicht alleine bin
weil ich dich sonst vermisse

einfach so
war es da
und du bedeutest was
und ich weiß nicht, wie das geht

sich verlieben, jemand (zurück)lieben, Beziehung

Ich spüre, wenn es wehtut
ich merke, wenn du fehlst
und irgendwie

ist da ein Zusammenhang
ist es richtig, wenn du da bist (?)
vermisse ich dich, wenn du es nicht bist.

Bin zu emotional für dich
Zu geschädigt,
anormal,
das alte Lied.
Ich bin so viel und gebe so wenig
Meine Seele ist nicht genug.

Und du sagst, die vier Stunden heute müssen reichen, zu fertig von der Absteigenparty, die bis fünf Uhr morgens ging und zu der ich nicht hinkonnte,

aber verkündest genervt, dass du jetzt heimfährst und deine Sachen holst, als in meine Augen das Wasser kriecht.
Und sagst, passt schon, als ich jammere wie ein Kind,
von meinem schlechten Gewissen und meinem zu großen Ego
Du gibst so viel und ich so wenig.

Und jetzt heule ich, Nachwehen von vorhin und weil ich nicht mehr kann, und weil ich mich vor mir selbst ekle, wegen meines Egoismus, wegen der Zweifel an mir und an dir und an uns, und weil ich es dir so schwer mache, und weil ich dich nicht einfach so lieben kann, mich nicht einfach so in dich verlieben kann, wie es beim Fremden war oder bei Mr.Gaunt ist, und weil ich so unkontrolliert emotional und so kaputt bin, dass bei Kleinigkeiten total die Welt für mich untergehen kann, während Großereignisse in meiner kleinen Seifenblase mich total kalt lassen,
weil ich so kalt bin, manchmal,
und weil ich auch nach Jahren immer noch keine Kontrolle habe.

Und ich schmeiße dir das so ins Gesicht, weil ich Ja gesagt habe, weil ich leichtsinnig war, nicht stark genug mal wieder,
und du leidest unter mir und ich darunter, dass du es tust, und ich sehe es jedes Mal in deinem Gesicht, wenn du dir denkst, wie schwierig es ist, und dass keiner dir vorher gesagt hat, dass es so schwierig wird.

Ich habe dich gewarnt und du wolltest mir nicht glauben, und jetzt sind wir hier und sind ein "wir", und du leidest, weil ich leide, weil du leidest und die Welt so grausam ist.

Und du gibst viel mehr, als du kannst, weil ich viel mehr ertrage, als ich kann, und es tut mir alles so Leid.


Und irgendwo
auf halber Strecke des Weltuntergangs
kauere ich und löse mich auf
während du vor dich hin zerfällst

aber vielleicht
wird es besser irgendwann

denn wir haben ja immer noch uns.




Mittwoch, 13. März 2013
Es berichtet für Sie, live aus dem Weltuntergang, Frau Mayhem zum Thema Zukunftsprognosen.

Bei Bewerbungsgespräch Part 1 etwas gestottert, ein bisschen in Sätzen verheddert und einfach mal angefangen, zu heulen, trotz oder gerade wegen so viel Offenheit aber gleich zwei Stellen angeboten bekommen, wobei man mich sehr gerne im Rettungsdienst unterbringen würde, da auch gleich volles Programm, und zwar genau dort, wo ich nicht hinwollte, aber im Vergleich zu anderen eine sagenhaft kurze Anfahrtszeit von unter 30 Minuten hätte.
Die 38,5h, die der Rest in einer Woche arbeitet, kriege ich in 3 Tagen (jeweils 12h Schicht) beinahe zusammen, aber zum Ausgleich bietet sich mir der Luxus, alle vierzehn Tage ein freies Wochenende zu haben.
Dann in den ultimativen Gewissenskonflikt gestürzt, als es hieß, fünfmal fahren wir auf Seminartage (fünf Tage am Stück irgendwo Floß bauen, über Bewältigungsstrategien reden, Vertrauensübungen machen und zusammen kochen), weil das bedeuten würde, dass mein Kätzelein ungefähr alle zwei Monate für fünf Tage alleine ist.
Ich kann doch mein Kind nicht einfach so alleine lassen.
Jemand zum Füttern würde sich finden, aber das Katerchen braucht doch Liebe, und Zuwendung, und so (nein, natürlich bin ich keine überbesorgte Katzenmutti).
Ich übrigens auch.
Könnte ich ja alles haben, wirft mir das Schicksal in Form des Rauchers mit einem Schwung in die Fresse, dass mir schwindlig dabei wird, aber ich ticke bekanntermaßen wieder Mal etwas anders.
Wobei ich mich in letzter Zeit mehrmals fast in ihn verknallt hätte.


Ja, und dann wurde ich aus den Socken gepustet.
Mitten in den telefonischen Kleinkrieg mit der Vatersfreundin rein ein Aufdieschultertippen, noch im Umdrehen eine Umarmung, und vor mir steht das Rotkreuzmädchen, strahlt mich an und sagt, sie sei ziemlich sicher in meiner Seminargruppe.

Somit also nicht einfach nur abwechselnd *bitte utopisch hohe Zahl einsetzen*-Stundenwoche und Zeltlager-Jugendcamp-Firmungsbesinnungsreise-Waldorfschulenstimmung, sondern Letzteres auch mit dem Modepüppchen, dem Styler plus Anhang, dem highschoolfilmklischeeentsprungenen (Applaus für dieses Wort) Außenseiter, der Mitsanitäterin, irgendwelchen anderen Leuten und dem Rotkreuzmädchen.
Die mich umarmt hat.
Und sich freut. Darüber, dass ich dabei bin.
Und die gesagt hat, wenn schon Seminartage und Lagerfeuer-Runden, dann nur mit mir und meiner Gitarre.
Weil sie die Kombination schlicht und ergreifend geil fände.

Hui.


Übergebe hiermit für einen allgemeinen Lagebericht an die Kollegen von Stone Sour.