Montag, 3. März 2014
Diverse Knutsch- und langsam aufblühende blaue Flecken, und grenzdebiles Grinsen, als meine Haare beim Duttöffnen zuhause nach ihm riechen.
Manches ändert sich wohl nie.

Keine Ahnung, was ich da eigentlich mache.
Oder ob das gut ist.
Oder was das wird.
Ich will ihn festhalten und vor ihm weglaufen, am Besten beides gleichzeitig.

Mein Hirn ist seltsam.
Seines auch.
Vermutlich verstehen wir uns deswegen so gut.

Vier (oder sind es schon fünf?) Jahre, ein Aufenthalt in der Geschlossenen (Hey, wir haben sogar die gleiche "Diagnose". Langsam können wir Bekloppten-Bingo spielen), das, was wohl seine Familie sein soll und diverse Abhängigkeiten haben ihn altern lassen.
So werden aus den beinahe 10 Monaten doch wieder beinahe zehn Jahre.

Inzwischen trinkt er Kaffee, wenn wir in der Stammkneipe sitzen. Alkohol nur, wenn wir uns das Getränk teilen.

Hatte sich zwischenzeitlich, entgegen seines früheren "das ist meine Art der Therapie", auf kalten Entzug gesetzt, weil er befunden hatte, dass es eben doch eher kontraproduktiv ist, wenn man seit seinem 14. Lebensjahr dauerzugedrogt oder/und besoffen ist, und hat es, entgegen seiner früheren Überzeugung, sowieso nichts auf die Reihe zu kriegen, geschafft.
Was bleibt, ist sein Dauerrauchen, das er mir zuliebe auf gefühlt nur noch alle 25 Minuten runterschraubt.

Vier Jahre, und dann steht er auf einmal bei mir in der Tanke, abgeranzt wie immer, aber nüchtern und clean und überhaupt, und es fängt so an, wie es damals nie hatte weitergehen können. Und ich weiß nicht, ob ich ihn festhalten, oder möglichst schnell wegrennen soll.
Eigentlich will ich beides.
Am Besten gleichzeitig.

Mein Herz (?) macht manchmal seltsame Sachen.




Samstag, 1. März 2014



Und dann bist du auf einmal wieder da.
Vier Jahre, zahllose Festivals, eine Weile im Ausland und diverse schlechte Tattoos später bist du wieder da, und von all den Tankstellenkunden, die jeden zweiten Tag ihre Familienpackung Tabak holen, bist du der, der nochmal zurückschaut, als er wegfährt.
Dessen Kumpel mich anquatscht, als ihr zehn Minuten später wieder da seid, "Wir können ja mal alle was am Wochenende machen".
Worauf ich ein ein ganz lockeres "klar, gerne" erwidere, einfach so, denn wenn ich etwas von Mr.Gaunt gelernt habe, dann ist es Spontanität.

Zwei Tage später muss ich deine Daten aufnehmen, weil du zu wenig Geld für den Sprit hast und habe Zeit, um deinen Perso zu studieren. Der Name, das Foto.
Und auf einmal ist alles wieder da, und du bist es dann auch und findest meinen Spontanvorschlag, mich auf einen Kaffee einzuladen, nicht mal schlecht.
Wenn ich etwas von Mr.Gaunt gelernt habe, dann ist es Furchtlosigkeit im Umgang mit anderen Menschen, also tue ich das einzig Vernünftige, rede dich tot und wieder lebendig, bis du um halb vier Uhr morgens zur Arbeit musst, und nachdem ich meine Krankschreibung (Sehnenscheideentzündung,yeeeeey!) in der Hand halte, bist du der Erste, dem ich schreibe und ihn frage, ob er abends schon was vor hat.


Einen Absteigenbesuch mit anschließender Kneipentour später landen die Mitgitarristin und ich doch irgendwie in deiner WG, und noch etwas später, als wir uns zu dritt auf das winzige Sofa gequetscht haben, beschließe ich, erneut das einzig Vernünftige zu tun. "Kater, mir's kalt. Ich missbrauch dich jetzt als Heizung, damit musst du jetzt einfach mal klarkommen".
-"Könnt mir Schlimmeres vorstellen".

Viel zu wenige Stunden später werde ich, nach 30 Minuten Schlaf, durch das Geschepper deiner Mitbewohner geweckt und wenig später von ihnen mit Frühstück versorgt und gar nicht mal so misstrauisch beäugt. Deinen Kumpel, den Knastbruder, kenne ich ja schon aus der Tanke, der Rest ghettoisiert so am Rande vor sich hin, bis ihr los müsst, eine andere Wohnung renovieren.

Als wir vor der Tür stehen, bekomme ich erst eine Umarmung und dann einen gefühlt zwei Millisekunden dauernden Kuss, lade auf dem Weg zurück zum Mayhemmobil meine Angst, ich könnte dir mehr Hoffnung , als im Nachhinein angebracht wäre, machen, irgendwie anders deine Gefühle verletzen und dich in raucherähnliche Abgründe stürzen, oder sonst irgendwie Mist bauen, bei der Mitgitarristin ab, die sich auch alles brav anhört und netterweise darauf verzichtet, mich darauf hinzuweisen, dass ich paranoid ohne Ende bin und außerdem schon wieder viel zu weit denke.


Vier Jahre.
Hätte ich dich nicht wieder angesprochen, wäre es noch länger geworden.
Vier Jahre, und jetzt bist du wieder hier. In der Kleinstadt, der guten. Nach wie vor mit total verhauenem Iro-Undercut-irgendwas, aber jetzt in fast schulterlang, und du trinkst fast nichts mehr, zumindest an diesem einen Abend.
Die Saufphase hast du hinter dir, hast du gesagt.
Dass du nicht werden willst, wie dein Vater war.

"Wir Säuferkinder müssen zusammenhalten."
Vier Jahre, in denen du so unendlich gealtert bist.
Ich noch viel mehr, sagst du. Dass du mich, bevor du mich wiedererkannt und dich erinnert hast, älter geschätzt hättest, obwohl ich fast ein Jahr jünger bin als du.
Fast 10 Monate.
Nicht fast 10 Jahre.

Keine Ahnung, was da los ist.
Aber ich freue mich auf heute Abend.
Auf die Stammkneipe, auf die Beinahe-Lehrerin samt Freund, den Postboten, der mich toller findet, als gut für ihn ist, und auch auf den ultimativen Kulturclash, wenn deine Knasti-Kiffer-Ghetto-WG auf sie trifft.
Und darauf, dich wieder zu sehen.



Keine Ahnung, was ich hier eigentlich mache.




Freitag, 21. Februar 2014
Ich glaube es immer noch nicht; ob ich nicht kann, oder nicht will, ist dabei die Frage.
Eine, die ich mir selbst nicht ganz klar beantworten kann.
Vermutlich ist unbewusst der Punkt erreicht, an dem selbst meine Intuition bedingt durch eine Überdosis Weltuntergang komatös vor sich hindämmert und dann und wann undeutlich das nachmurmelt, was mein Herz gerne hören will.
Dass es das eben nicht war.
Dass es wieder wird.
Dass da irgendwas war, und ist, und deswegen (wieder/endlich) alles gut wird.

Mein Zusammenbruch kommt eher so schubweise.
Quetscht sich an meiner komatösen, wahllos im Gedankenflur rumliegenden Intuition vorbei, schreit einmal kräftig alles zusammen, und verzieht sich wieder, um das Ganze dann und wann immer mal zu wiederholen.
Ohne Erkenntnis, bis jetzt.
Dafür, noch während ich "Erkenntnis" schreibe, wieder ein Dazwischenlallen meiner betäubten Intuition. Wer denn sagt, dass es vorbei ist. Wenn es das nicht war, kann ich auch nicht erkennen, dass es das war.

Vermutlich gibt es wirklich kein Zurück.
Aber das endgültige Begreifen bleibt aus, wie der endgültige Weltuntergang auch, und ohne das kann ich nicht verarbeiten (?).
Zu Asche zerfallen und wieder Aufstehen, mein Schema und auch seines. Totale Selbstzerstörung und anschließende Reinkarnation.
Aber ich kann nicht aus meiner Haut, buchstäblich.
Ich hämmere es mir ein, weine dann und wann für eine Sekunde, fühle mich vom Liebesliederbombardement des Radios auf der Arbeit bedroht, habe Gedankenkreiseln und wache jeden Morgen auf mit dem Gefühl, er müsste doch eigentlich neben mir liegen,
und sage mir jeden Morgen wieder, was er gesagt hat.
Und während diesem letzten Satz habe ich angefangen, zu heulen, aber der Damm bricht nicht.
Ich habe/hatte die Hoffnung, meine Hoffnung durch ein Gespräch mit ihm standesgerecht erschießen und in mein kleines mentales Massengrab, in dem diverse andere Liebeskummers vor sich hin verwesen, fallen lassen zu können, aber er hatte bereits nach vier Tagen komplett damit abgeschlossen, wie es scheint. Ein "ja ka, irgendwann mal...vllt nächste Woche" (das war letzte Woche) ist in dem Fall auch nur mühsam abgerungene Nettigkeit seinerseits, auf die ich jetzt auch verzichten kann.

Absoluter Verarbeitungsstop in meinem Herz.
Ich weiß nicht, ob das doxepin- und tavorbedingt ist, oder einfach eine neue Stufe (20.000 Meilen unter "der Tiefpunkt ist erreicht", oder so), oder/und ob mir das die ganze Verarbeitungsgeschichte irgendwie leichter machen soll.

Meine Welt ist kaputt, aber sie und ich, wir funktionieren irgendwie beide weiter aneinander vorbei.
Kommt mir fast so zombiehaft vor, wie meine komatöse Intuition vor meinem inneren Auge aussieht.

Falls Sie also in Erwartung eines weiteren Gefühlskollaps hier mitlesen, muss ich sie vorerst enttäuschen.
Das Gefühl, zerrissen zu werden, ist genauso da wie das Potential für mehr als intensive Verzweiflungswellen und Zusammenbrüche, aber alles gedämpft durch eine Dunstglocke, von der ich nicht weiß, ob sie ein Produkt meines sich langsam, aber sicher Sorgen um mich machenden Gehirns ist, das ggf aus Sicherheitsgründen die größte Schockstarre, seit ich meine Mutter gefunden habe, in mein Bewusstsein gepumpt hat, oder ob neben "fuck, ich esse zu viel" noch irgendeine andere Wirkung meiner Medikamente so langsam, aber sicher doch mal einsetzt, oder ob ich einfach die krass harte Metalbraut bin, für die mich alle (außer den krass harten Metalheads) halten und das ganze schon halb verarbeitet habe, bevor es überhaupt vollständig an mein Bewusstsein dringen kann.


Mein Bewusstsein ist auf Autopilot.
Ich rede mit Tankstellenkunden, einfach so. Vorrangig mit den Bundeswehrlern, die meisten davon sind sowieso nur für kurze Einsätze da und man sieht sie nie wieder; außerdem kaufen zwei Stück anscheinend immer den Metal Hammer und einer Gothic Culture, und einer ist von seiner Art her eigentlich absolutes Beuteschema und konnte die zwei Mal, die er bis jetzt da war, sogar ganz gut Interesse heucheln.
Es reicht, um dann und wann mal an ihn zu denken, seinen Nachnamen zu googlen (erfolglos) und sich wahrscheinlich ein bisschen zu freuen, wenn er mal wieder hier ist.

Eigentlich bedeutet der nichts.
Genauso wenig wie der Postbote, der sein Glück über die Freundschaftsschiene versucht, und verdammtes Potential für "Raucher- reloaded" hätte, würde ich ihn nicht physisch absolut unattraktiv finden.
Und auch sonst, alles scheißegal.
Ja, ich leide. Und in den kurzen Momenten, in denen doch was durch die Dunstglocke durchkommt, zerlegt es mich in Elementarteilchen.
Aber nur sekundenweise.
Dann funktioniere ich weiter auf Autopilot.
Und die ganze Herzfoltergeschichte läuft im Hintergrund stetig mit.

Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist.
Vielleicht muss ich lernen, zu verarbeiten, ohne das, was ich verarbeiten will, wirklich fassen (in beiderlei Hinsicht) zu können.
Vielleicht bin ich aber auch einfach nur ein kleiner, verlorener Traumahaufen, dessen Gehirn, auch, wenn es manchmal relativ skurrile Sachen macht , eigentlich nur ein gutmütiger Aufpasser-Bär ist, der doch irgendwie nur das Beste für mich will.




Sonntag, 9. Februar 2014
Kein mayhem&Mr.Gaunt mehr.

Einfach, weil ich mir immer die Leute aussuche, die auf halber Strecke merken, dass sie mich nicht mehr zurücklieben können.
Und es mir nicht sagen können, bis ich es ihnen aus der Nase ziehen muss.
Und mir immer wieder Hoffnung machen, auch, wenn sie das gar nicht wollen.
"Ich bin wie Cholera, wenn man mich hat, dann hat man mich. Und du hast mich."
Irgendwie wohl doch nicht. "Ich sehe keine Zukunft für uns", und es fehlt ihm mal wieder die 100%ige Gewissheit, dass es etwas dauerhaftes ist.
Und "Wir sind eher Kumpels als eine Liebesbeziehung".
Am Bartresen besprochen, weil ich ihn sonst nirgends erwischt habe.
Er habe das ja in Ruhe nächste Woche besprechen wollen. Stand ja in der sms, dass wir da mal über was reden sollten. Und dass es aber eigentlich nichts Schlimmes und sonst soweit alles in Ordnung wäre.


Ich könnte heulen. Und tue es auch. Mal wieder.
Wie immer.

Seine Sachen habe ich gepackt und einen vierseitigen Brief geschrieben, der nicht mal die Hälfte von dem in Worte fasst, was ich sagen will.
Werde sie bei ihm abstellen, wie es der Raucher damals bei mir gemacht hat, und habe darum gebeten, dass er es genauso handhabt. Weil ich ihn nicht sehen kann.
Und bei jeder sms hoffe, dass sie von ihm kommt.

Ich habe sie gelöscht. Alle 2532, noch in der selben Nacht.
Auch die mit "Ich habe noch nie einer Frau so vertraut, wie dir."
Und die mit "Ich danke einfach dem Schicksal, dass wir uns begegnet sind. Und ich finde es schön, dass wir jetzt zusammen sind."
Und die Fotos vom Handy.

Spätestens, wenn er zur Nachtschicht muss, fahre ich mit meinem Auto, dessen Tankstutzen durchgerostet ist, ein letztes Mal in dieses Dorf, laufe ein letztes Mal die Treppen zum Keller und sage ein letztes Mal Hallo zu seiner Bartagame.
Dann stelle ich seine Sachen ab, nehme meine mit, und gehe.
Lasse es hinter mir, muss ja, auch, wenn da noch so viel Unverständnis ist, so viel Nicht-wahrhaben-wollen.
Nicht können.

Lasse es da liegen, wie den Brief, der vier Seiten hat und in dem trotzdem so viel fehlt.
Zum Beispiel das "Ich liebe dich", das noch niemand wirklich von mir gehört hat, und das er als einziger verdient hätte, hätte ich mich jemals getraut, es auszusprechen.