Freitag, 3. Mai 2013
Er wechselt von arglos-glücklich zu ungläubig-trotzig zu verzweifelt.
Halbe Stunde, bis er es langsam aufgibt, zu sagen,dass wir das schon wieder hinkriegen.
Wie ein angefahrenes Tier in den letzten Atemzügen.
Ich finde mein Verhalten/mich mindestens so scheiße, wie ich mich fühle.

Raucher: Soll ich vorbeikommen?
mayhem, weinend: Nur, wenn du deine Sache holen willst. Noch mehr Geflenne.
Raucher, weinend und verzweifelt-trotzig: Ich will meine Sachen aber nicht holen..


Fühle mich, als hätte ich nicht nur ihm, sondern auch mir das kaputte Herz rausgerissen, außerdem war er anscheinend doch wichtig.
Die geistig durchgespielte Alternative war aber genauso wenig eine Möglichkeit, und somit bin ich jetzt wieder alleine.

Keine Erleichterung, nur Weltuntergang.




Mittwoch, 27. Februar 2013
Beim Spazierengehen im Raucherpullover, ohne Jacke, dafür aber mit kaputter Strumpfhose, stand auf einmal die Erkenntnis am Wegrand.

Mir ist nicht ganz klar, ob ich alles von ihr mitnehmen konnte, aber ich bin heimgekommen und wusste, oder dachte für einen Moment zu wissen, was es ist.

Dass es eigentlich nicht so sehr um Beziehung oder Nichtbeziehung geht, sondern um Nähe, menschliche Wärme. Dass zur Abwechslung einfach mal jemand da ist, und auch da bleibt, und vielleicht einengt, aber wenigstens festhält, und der zwar nicht alles versteht, aber meistens versucht, sich in eine Art stumme Toleranzhaltung zu flüchten, die besser ist als den Zeigefinger zu heben, oder ihn in die Wunde zu legen.

Vielleicht ist es ja so, der Kern der Sache, und der Ursprung liegt wie immer da, wo ihn jeder sofort festnagelt und rot umrahmt, vielleicht war ich einfach zu oft alleine.
Die Kombination aus angeborenem Anderssein und dem, was vielleicht noch dazukam durch meine Mutter, war wohl keine gesunde und ich deswegen auch ganz froh, wenn ich nicht mit den bösen anderen Kindern zusammen sein musste, die im Endeffekt genau wie ihre Mütter waren, hohler als ein Schokoladenosterhase, massenmeinungsgesteuert und eigentlich genau das, was weniger sprachmotivierte Ghettokinder als blöde Fotzen einstufen.
Sprachmotiviert, da fängt es schon an, ich war ja froh, als man mir in der Grundschule endlich lesen und schreiben beibrachte, und ab da ging es los, endlos.
Notizbücher voll, und Blöcke, und hätte ich es mich getraut, vermutlich auch Tapeten.
Auf Kosten der Hausaufgaben, weshalb mich die anderen Kinder dann irgendwie scheiße fanden, genau wie damals, als ich angefangen habe, mit Kajal zu hantieren, während sie sich noch nichtmal an das Liploss aus der Wendy getraut hatten.
Hat sich wohl ein bisschen geändert.

Vielleicht ist das Ganze ja wirklich Kindheitssache, fürs Leben gestraft oder für immer geprägt, mein angeborenes Einzelgängertum konnten sämtliche Pseudopädagogen sowieso nur verstärken, irgendwann kam dann auch so ein bisschen Welt-/Selbsthass ins Spiel,

und jetzt leidet ein vermutlich sehr toller Mensch massiv unter mir, beziehungsweise der Tatsache, dass ich für ihn ein sehr toller Mensch bin, nur, weil ich ihn nicht verletzen wollte (Hach, wie lustig), von der Gesamtsituation überlastet und eventuell ganz legitim beziehungsunfähig bin.
Muss man auch erstmal mit klarkommen,schlechtes Gewissen ist so eine doofe Sache, wenn man genau weiß, dass der Andere sich in metertiefe Abgründe stürzen wird, wenn nichts mehr geht, und auch der Satz "wir können ja Freunde bleiben" nichts dran ändert.

Ich will ihn aber nicht verlieren.
Die Schlussmachblockade ist vielleicht nicht Verliebtsein, sondern Angst vor Wärmeverlust.
Dass wieder jemand weggeht.
Und mich hier allein lässt.
Ich will nicht allein gelassen werden.
Bitte nicht mehr.
Es ist die Angst, ihn zu verlieren, aber vielleicht in einem anderen Sinn, als man sie normalerweise hat.

Und ich dachte doch, da wäre Verständnis.


Ich habe ihm gestern gesagt, egal, was passiert, ich will dich als Freund behalten.
Weil du so viel verstanden hast, oder ich das dachte, und weil du deinen Platz hier hast und der jetzt zu dir gehört.
Er hat gesagt, dass er da bleibt und die Beziehung auch, aber diesmal hat man sogar bei ihm ein winziges bisschen Zweifel, noch unterhalb der Einprozentgrenze, gehört. Und später, da hat er eingesehen, dass man jetzt nicht sagen kann, was dann ist, und es hat ihm weh getan, dass ich so sachlich über den schlimmsten Fall gesprochen habe. Ich habe es trotzdem getan, weil ich realistisch denke. Habe ich ihm gesagt, und er hat zugegeben,dass er auch darüber nachgedacht hat. Ob es dann für mich einfacher wäre. Es mir dann besser gehen würde.
Würde es wohl, habe ich gesagt, aber bitte bleib da. Wenn wir es nicht mehr hinkriegen, als guter Freund, aber bitte bleib da.
Er hat mich noch ein bisschen im Arm gehalten und als er wieder heimfahren musste, habe ich, wie sehr häufig zur Zeit, ein bisschen geweint, weil ich nicht will, dass wieder jemand weggeht, und weil ich selbst noch ganz geschockt war, dass ich das Thema so einfach auf den Tisch geworfen hatte.


Es steht also fest, dass ich ihn nicht verlieren möchte.
Nicht zu hundert Prozent klar ist, warum, und was da eigentlich ist an Gefühlen oder Gefühlsvorstufen (und -abarten).
Sicher ist, dass es für ihn klarer und mehr ist als für mich, und dass ich Angst habe, ihn völlig abstürzen und kaputt gehen zu sehen.

Nach wie vor hoffe ich aber, dass ich in meiner Kindheit einfach zu viele Katastrophenfilme gesehen habe und es dann, wenn es soweit ist, leise, zart und würdevoll zu Grabe sinkt, statt sich zunächst schmerzhaft zu verkrampfen, um dann in einer riesigen Supernova zu explodieren und alles, was außenrum steht, in Schutt und Asche zu legen.


Irgendein Gefühl schreit immer noch ganz laut "Nein!", wenn ich daran denke. Und dann bedeutet er etwas.
Als er da war, war da wieder nichts, außer der altbekannten Zuneigung, die aber nicht das ist, was allgemein als Beziehungsbasis gedacht ist, wenn es dauerhaft funktionieren soll.
Ich will nicht,dass es kaputt geht.
Scheint aber unausweichlich. Vielleicht auch besser irgendwie, meine Intuition sagt aber, es wird hässlich und schmerzhaft, und vielleicht ist es falsch. Jetzt zum Beispiel fühlt es sich so an.

Ich werde sowas von heulen, wenn es soweit ist.





Dienstag, 19. Februar 2013
So
klang das früher; in dem Zusammenhang wäre auch das
eventuell interessant.

Was davon geblieben ist?

Nichtmal mehr die roten Haare.
Aber meine Katze ist noch da, und ich bin es auch. Vielleicht mit einem Fuß im Revier des Nervenzusammenbruchs, aber ich bin da.
Das ist alles, was ich sicher weiß.


Die Blondinenfraktion weiß noch weniger, für die Abizeitung muss sich aber irgendwer mit meiner Persönlichkeit auseinander setzen.
Gibt wohl Angenehmeres, aber was muss, das muss, somit habe ich das einzig Vernünftige getan und die erste Zweckgemeinschaft, die zur guten Freundin geworden ist, und Blondine 1 zu meinem Autorenteam ernannt und mich im Gegenzug bereit erklärt, an ihren Beiträgen mit zu schreiben.
Heute also Grobgerüst, eine halbe Stunde lang.
Personenverschlagwortung, wer am meisten findet, gewinnt.


M. A. Mayhem:
besonders
schreibt
Ironie u. Sarkasmus
Katzenmutti
Vegetarierin
backt voll die guten Kekse
Bücherwurm
manchmal SEHR leicht reizbar
schüchtern und selbstbewusst gleichzeitig
schwierig
einfühlsam
Morgenmuffel
Plüschtiere
harte Sau
hilfsbereit
mürrisch
breiter Musikgeschmack
zugetackert
kreativ
Dutt



Außerdem die wichtigste aller im Bogen aufgeführten Fragen:
heiratet er/sie später mal?
Nein, der passende Mann muss erst noch erfunden werden.
Für mich doch etwas überraschend war die zweite Option: Ja, wilde Ehe mit Faust oder nem andren schlauen, gruseligen Mann mit komischem Style und Musikgeschmack. Und der ganz viele Bücher liest.
Die eindeutig passendste und einzig richtige Antwort hat allerdings der Kommentator mehr oder weniger im Vorbeigehen geliefert:
Ja, ihr Mayhemmobil.


So, jetzt wissen Sie's.




Montag, 28. Januar 2013
Endstation Rastlosigkeit

Vielleicht ist meine emotional-zwischenmenschliche Zurechnungsfähigkeit etwas angekratzt zur Zeit. Ist schließlich doch einiges los, aktuell.
Ein bisschen will ich, dass es so ist.
Will es heranziehen als Ausrede, es nicht zu beenden, irgendwas war da doch, und irgendwas ist da doch auch, irgendwie, bestimmt...

Im Moment ist da nur Fluchtreflex, und ich weiß nicht, ob es an mir liegt oder an ihm.
Ich will Wärme, und Zuneigung, und Umarmung, irgendwo; aber ich komme absolut nicht damit klar, wenn man sie mir entgegenbringt.
Vielleicht ist es ja einfach nur das. Das altbekannte Problem, Nähe war doch schon immer so eine Sache...
Und dann noch das absolut Unwahrscheinliche der Situation an sich. Dass da jemand ist, der mich so furchterregend perfekt zu finden scheint, dem ich so schrecklich viel bedeute und der mich deswegen so sehr einengt und verschnürt, dass mir die Luft zum atmen fehlt.
Und all die Ketten schnüren sich noch enger um mich..

Meine Angst steigert seine.
Wir haben darüber geredet, es zumindest versucht.
Irgendwann das übliche Bild, ich am Heulen, er nur Unverständnis. Vergeblicher Versuch, einer vergleichsweise normalen Person meinen seltsamen Verstand zu erklären.

Mein Negativgefühl steigert sich ins Unendliche.
Zweimal hätte ich es fast beendet, das Beziehungsding, jedes mal habe ich mich irgendwie davon abgehalten, berufen darauf, dass ich zur Zeit sowieso total am Rad drehe und nicht kurzfristig Dinge entscheiden sollte, die mindestens einer Person so große Schäden zufügen könnten/würden.


Was bleibt?
Das Gefühl, ein Versprechen gebrochen zu haben. Eines, das ich mir selbst gegeben hatte. Lass dich nicht in eine Beziehung mit dem Raucher drängeln, egal, was passiert.
Man sieht ja, wo ich jetzt bin.
Das Gefühl, in einer grundfalschen Situation festzustecken.
Wollte ich nicht anfangen, endlich ausnahmslos auf meine Intuition zu hören?
Die unsichere Hoffnung, dass es nur Verwirrung ist.
Woher soll ich auch wissen, wie das mit der zwischenmenschlichen Nähe geht , überhaupt, was muss mir auch nach dem letzten Exfreund, diversen anderen Fehlentscheidungen und ein paar Weltuntergängen einer über den Weg laufen, der es ernst meint?
Ist doch klar, dass mich das überlastet.
Habs doch nicht so mit Gemeinschaft-Sein.
Oder Zusammen- Sein.
Das ganze Zeug, das für ihn völlig normal ist, mich überlastet das.
Erst recht, wenn dann noch eine gefühlt fünfzigtausend Menschen umfassende Familie darauf besteht, mich kennen zu lernen,
und der sechzigtausend Menschen umfassende Freundeskreis mich wahlweise töten will ("Was, mit DER ist er jetzt zusammen? ICH wollte doch!!") oder mich für vollständig scheiße hält ("Offene Beziehung? Wer hat der denn ins Hirn gekackt? Schieß sie in den Wind, wenn sie auf so nen Mist kommt" / "Die hat echt komische Ansichten, treib ihr das bloß aus. Wenn man nen Freund hat, lehnt man sich nicht bei anderen Leuten an!" / "Die steht ja eh immer nur rum und macht nix") . Da kommt Freude auf.

Wir halten also fest: Ich will ganz weit weg von hier, sitze aber leider fest.
Mein Vater ist tendenziell eher nicht mein Vater, seine Freundin total verkrebst, mein Rücken komplett am Arsch, mein Freundeskreis auch nicht mehr das, was er mal war, mein ehemals fast bester, jetzt fester Freund von "zu schön, um wahr zu sein" zu "zu wahr, um schön zu sein", mit starken homophoben, leicht rechten und mittelschwer besitzergreifenden Tendenzen geworden und seit ein paar Tagen habe ich zudem die von zuhause ausgerissene Ms Golightly bei mir sitzen.

Gefühle: Panik, Flucht, wahlweise Schlussstrich unter den ganzen Scheiß ziehen, und zwar komplett.

Verstand: Abwarten und Tee trinken, wir drehen hier zwar alle total durch, aber das geht auch wieder vorbei. Nicht unüberlegt handeln, das Selbstbewusstsein wieder vom Boden kratzen, irgendwie über den Schatten springen und verdammt nochmal lernen, zufrieden zu sein (und sich an feste Beziehungen zu gewöhnen).

Herz: Schließt sich der Gefühlswelt an, sieht aber mal wieder alles etwas radikaler, hat trotzdem Mitleid mit dem Raucher, hängt ein bisschen an ihm (oder "früher"?), fragt sich aber, was daraus geworden ist; vermutet, dass es an den aktuellen Umständen liegt und daran, dass er mich dauernd sehen will, vermisst ihn aber auch nicht immer, und ist alles in allem ziemlich verwirrt.

Erste Zweckgemeinschaft: Schlug mir heute vor, doch mal einen Blog zu schreiben.
Wahlweise auch ein Drehbuch, um anschließend mein Leben zu verfilmen.











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Zitate aus ein Gedicht von Thoughts Paint The Sky




Sonntag, 4. November 2012
Dieser seltsame Moment, eingeklemmt auf der Rücksitztbank des Rauchers, zwischen dem Fremden, der alten Sache und einer Snare Drum.
Der Fremde nonstop am Texten mit einem Fangirlie, und immer, wenn sie schreibt, fängt er an, glücklich zu lächeln und es fängt an, weh zu tun.
Er besucht sie nachher noch, hat er gesagt, und hat sich deswegen nicht völlig abgeschossen, sondern nur ein wenig Mut angetrunken.
Sein Fangirlie ist 15, eine blondierte, noch stärker geschminkte Variante der Ghettoschwester und war heute nicht da, weil in der Dorfdisko Lady's Night war und Tanzpop + Freicocktails mit den anderen Fangirlies und Ghettomädchen sich für sie besser angehört haben als Black Metal + Selbstversorgung.
Der Schlagzeuger hat gesagt, ist auch gut so, die Ghettofraktion habe gerade noch gefehlt. Die seien sowieso zu nichts zu gebrauchen, nichtmal rummachen wolle er mit denen.
Der Fremde hat nur weiter sms geschrieben.

Dieses seltsame Gefühl der totalen Entfremdung, der unfreiwiligen Distanzierung von der alten Sache und seine Distanz mir Gegenüber.
Nicht einmal ein höflicher Unterhaltungsversuch, auf die von mir gestarteten wird kurz angebunden reagiert und als ich, aus dem Nichts heraus zugegebenermaßen, erwähne, dass er im letzten Jahr auf keine Nachricht reagiert und auch nicht zurückgerufen hat, reagiert er einerseits verunsichert, andererseits trotzig-unwillig-knatschig und versucht halbherzig, sich rauszureden, bis ich dem Trauerspiel ein Ende bereite und sage, ist jetzt auch egal, ändern können wir sowieso nichts mehr, vorbei ist vorbei, und damit nicht nur die Schweigephase meine.
Er weiß es.
Und schaut mich an und sieht, dass ich es weiß.
Die Seelenverwandschaft, die da mal war, ist verloren gegangen, und ich habe endlich begriffen, dass nicht ich diejenige bin, die daran Schuld trägt.
Ich dachte, wenn es soweit ist, wenn ich vor ihm stehe und wir es realisieren, wenn es wirklich so weit ist, dann würde ich nahe am Weinen sein, und ich würde es ihm sagen, alles, du Idiot, ich war in dich verliebt, aber ich Idiotin habe mich nicht getraut, es zu zeigen, und jetzt ist es zu spät.
Dann kam der Fremde, und auf einmal stehe ich vor der alten Sache und spreche es aus, dass es vorbei ist, das Alles, und behalten den Rest für mich.
Nicht, weil ich mich nicht traue, sondern weil ich abgeschlossen habe .
Die alte Sache ist etwas, womit ich abgeschlossen habe, schon vor dem Fremden und teilweise unbewusst, und auch mit dem Fremden schließe ich ab, egal, ob er bald eine Freundin hat oder nicht, und egal, ob er sich weiter so unschön verhält oder endlich mal ansatzweise Rücksicht nimmt.
Irgendwann ist das Geschichte.
Irgendwann ist es Geschichte, wie die alte Sache.

Irgendwann ist das alles Geschichte, und es fängt jetzt an, dazu zu werden, zu verschwinden und sich zu beenden, jeden Tag etwas mehr.
Immer ein Stück mehr.
Wenn ich ein Gespräch mit den Vermietern ausmache, weil ich die Sache jetzt alleine in die Hand nehme, denn die Nachbarin hat keine Lust mehr,
Wenn ich der Schwester des Rauchers ein Sofa und vielleicht sogar einen Kühlschrank abschwatze, die sie sonst weggeworfen hätte,
wenn ich auf einmal eine potenzielle Mitbewohnerin habe, weil Ms Golightly es zuhause genauso wenig aushält wie ich.
Auch, wenn ich immer noch Angst habe vor Gesprächen, besonders mit den Vermietern wegen der Wohnung und dem Jugendamt wegen Wohnzuschuss.
Und vor zu großen Menschenmengen,
und davor, mich zu blamieren.
Vor dem Schmiertypen.
Vor Umarmungen, manchmal.
Davor, den ersten Schritt auf andere Menschen zu zu gehen und abgewiesen oder ausgelacht zu werden.
Vor dem Abitur.
Vor unbekannten Situationen und Menschen.

Und davor, dass ich da letztendlich alleine durch muss.
Es gibt niemanden, der für dich dein Schicksal niederkämpft, das musst du selbst machen, ob du willst oder nicht.
Und eigentlich ist es nicht die Angst, die einen abhält von irgendwas, die ist maximal ein Grund und oft nur eine Ausrede. Und man hat es selbst in der Hand, wie es weitergeht.
Ob es überhaupt weitergeht.

Es geht weiter.
Ich habe mich dazu entschieden, dass es weitergeht, als ich da auf der Rücksitzbank des Raucherautos saß, eingeklemmt zwischen dem Fremden, der nonstop mit dem Fangirlie schreibt und so positiv-verliebt wirkt, wie ich es in guten Momenten gesehen und mir in schlechten gewünscht habe, der alten Sache, der so unheimlich fremd geworden ist, und einer Snaredrum.
Und eigentlich sollte es schon wieder hell werden, aber weil das Wetter den Weltuntergang übt, ist es stockfinster und ich habe Angst, dass das Auto im Schlamm stecken bleibt und danke dem Schicksal dafür, dass ich eine gute Ausrede , nicht zu fahren, habe, weil das Mayhemmobil doch in der Werkstatt ist.
Auf eine Bahnhaltestelle wartet man seit 30 Jahren.

Und als ich nach dem Aufstehen auf der Terasse des Rauchers sitze und seinen Nachbarn beim Umzug zusehe, festigt sich der Entschluss, dass es weitergeht und wird zu Beton, oder Stahlbeton, und er ist zwar kein Fundament, aber immerhin ein Stützpfeiler, der dafür, dass er in Morast steht, ziemlich stabil wirkt.
Er hält tatsächlich, als der Raucherbruder beim Frühstück darüber witzelt, wie versunken und bescheuert grinsend der Fremde an seinem Handy geklebt hat, und dass er ein paar Tage zuvor bei einem Telefonat mit dem Fangirlie behauptet hatte, alleine und daheim zu sein, obwohl er da eigentlich gerade Bandprobe hatte.
Er hält auch, als der Raucher abwinkt und meint, der Fremde habe jetzt eben seine Ghettotussi gefunden, und er hält sogar dann noch, als sich aus der Masse derer, die sich dazu entschieden haben, ihren (mehr oder weniger großen) Rausch beim Raucher auszuschlafen, Legolas hervortut, abfällig lacht und meint, dass die Tussi ja passen würde. Kein Gespür für Musik und keins für Menschen, Null Rhythmusgefühl, ein IQ auf Zimmertemperaturniveau und nichtmal genug Schauspieltalent, um überzeugend so zu tun, als habe sie eine Persönlichkeit, weshalb das ganze eher einem Schmierentheater gleiche. Oder als ein Vorbote des Weltuntergangs zu deuten sei.

Es ist ein Teil des Weltuntergangs.
Eigentlich ist es ein Teil meines Weltuntergangs, aber ich habe mich dazu entschieden, es zu überstehen, das alles.
Wenn sie mich bei der Zombieapokalypse erwischen, ist das eine Sache, aber der schicksalsbedingte,innere Weltuntergang, durch den ich gerade wate, wird das Letzte sein, wovon ich mich endgültig unterkriegen lasse.
Egal, was passiert.

Denn alles geht vorbei, und irgendwann, da wird alles gut.
Einfach weiteratmen, irgendwann wird alles gut. Ich habe bis jetzt alles überstanden, mehr oder weniger. Ich habe sogar die alte Sache überstanden.
Und ich werde einen Dreck tun und mir mein wohlverdientes Glücklichsein von solchen Kleinigkeiten wie emotionalen Totalzusammenbrüchen, der werten Familie oder einem gebrochenen Herz dauerhaft wegnehmen lassen.

Irgendwann wird alles gut.
Auch, wenn aktuell gar nichts mehr geht.




Donnerstag, 18. Oktober 2012
Und mitten im Chaos taucht der Fremde auf, plötzlich wieder online und auf Kontakt gepolt, und meldet sich, als wäre nichts gewesen, und schreibt, man müsse unbedingt wieder was zusammen machen, ich solle mich doch bitte melden und die Gitarre mitnehmen, wir wollten doch schon seit Ewigkeiten mal zusammen spielen..

Und aus dem inneren Sumpf schießt die Hoffnung geysirartig in die Höhe, bis an die Schädeldecke, und sie schreit, es wird alles gut, er hat es doch gesehen, jetzt wird es, alles wird gut.
" Wer am meisten liebt, ist der Unterlegene und muss leiden."
Fühlt sich nicht gerade angenehm an, sowas.

Oben an der Schädeldecke klebt der Rest meiner noch nie sonderlich gut ausgeprägten Vernunft, den ich über den Sumpf gelegt hatte, um ihn notdürftig abzudecken.
Aber er ist gar nicht bewusstlos, der Vernunftrest, obwohl er das nach so einem Aufprall eigentlich sein müsste, und er erinnert mich daran, auf meine Intuition zu hören.

Also antworte ich dem Fremden nicht, fürs Erste. Der kann ruhig warten.
Und schwebe nicht wie auf Wolken durchs Haus, aufs Happy End muss ich wohl auch warten, denn das hier ist es nicht.
So sehr ich es mir auch wünsche, das ist es nicht.

Ich werde die Gitarre mit in die Kleinstadt nehmen. Und ich werde auch wieder mit dem Fremden weggehen. Vielleicht auch mit ihm zusammen spielen, auf der Terasse des Rauchers, oder, wenn ich mutig bin, in der Stammkneipe, in der passenderweise open stage ist. Eine Herausforderung für mich und gegen meine Unsicherheit. Innerlich zittere ich. Vielleicht nehme ich sie an, trotzdem oder gerade deswegen.
Ich werde beim Raucher schlafen, egal, was passiert, und einen kühlen Kopf bewahren, egal, was vom Fremden kommt.
Ich habe keine Lust, dritte Wahl und nur deshalb wieder gefragt zu sein, weil die Ghettoschwester sich nicht meldet und der Grinch auf die Idee gekommen ist, dass sie ja auch einen Freund hat und das Wochenende bei ihm verbringen könnte.
Aber wenn alle Stricke reißen, setze ich mich ins Mayhemmobil und fahre heim, oder schlafe drin, falls ich schon was getrunken habe. Mein Auto ist groß, meine Sitze sind gemütlich, ich habe zwei Flauschedecken, eine wieder funktionierende Heizung, für 1,57 Euro pro Liter vollgetankt und davon abgesehen einen Gutschein über 40 Euro.
Wenn ich wollte, könnte ich nach Prag fahren.

Ich überstehe das alles. Ich bin inzwischen stolze Besitzerin eines Traguspiercings und habe sogar das überstanden, da packe ich das Wochenende ja wohl mit links. Egal, wie pärchenübersättigt unsere Gruppe diesmal ist, wie zwanghaft mich der Mischpultmann von sich überzeugen will und wie freundlich der Fremde ist.
Danach kann ich implodieren und mein Herz Blut kotzen gehen, so viel es will, aber ich steh das durch.
Wieder aufstehen, wie immer.
Ich krieg das hin. Und hätte ich die Möglichkeit, nochmal an den Anfang zurückzukehren, es anders oder besser zu machen, ich würde es nicht tun.
Kommt ja doch alles, wie es muss, und alles geht vorbei.
Und vielleicht wird ja doch alles gut, auf irgendeine Art und Weise, irgendwann.

"(....) Noch einmal anfangen? Aber es hülfe nichts.
Es würde wieder so werden. - Alles würde wieder so kommen, wie es gekommen ist.
Denn Etliche gehen mit Notwendigkeit in die Irre, weil es einen rechten Weg für sie überhaupt nicht gibt.
"



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Zitate aus Thomas Manns Tonio Kröger.




Montag, 15. Oktober 2012
Mit dem Raucher in meinem Zimmer gesessen, das Telefon auf meinen Knien liegend.
Die Nummer rausgesucht, ihn nochmal angesehen und in seinem Blick die Bestätigung gefunden, dass es das Richtige ist, was ich tue. So tief wie möglich eingeatmet, um die Ketten wegzusprengen, die mir Herz und Kehle zusammenschnüren.
Vatersfreundinstimme auf der anderen Seite der Tür. Das Telefon will sie, jetzt sofort.
Wir brauchen es kurz, bitte.Dauert nicht lang.
Kein "es dauert nicht lang". Sie braucht das Telefon, jetzt.
-Aber es ist doch wichtig, und dauert wirklich nicht lange. Bitte.
Kein aber, das Telefon. Jetzt, sofort.
Erstaunlich, Papa Mayhem wird wieder richtiggehend gesprächig mir gegenüber, sobald es um seine Freundin geht.
Ein Blick auf die Uhr lässt Telefonweggeben wie keinen sehr weisen Schachzug erscheinen. Blick zum Raucher, der das selbe denkt wie ich.
"Du gibst mir jetzt das Telefon!" Vatersfreundin, die gleichzeitig klopft und eintritt, mir das Telefon aus der Hand reißt, dabei einen Finger umbiegt und so schnell wieder verschwindet, wie sie angegriffen hat.
Auch eineinhalb Stunden später kein Telefon, sie hat ihre Schwester an der Strippe (zu erkennen daran,dass sie noch lauter telefoniert, als sie sowieso schon ist) und das kann dauern. Außerdem warten der Mischpultmann, der Fremde und mutmaßlich Mr.Gaunt schon seit geraumer Zeit darauf, von uns eingesammelt zu werden


Im Gruftkeller gesessen und erfolgreich die Tränen zurückgehalten.
Als der Fremde erst behauptet, krank daheim zu liegen und dann damit rausrückt, mit dem Grinch ins Kino gegangen zu sein.
Als mir klar wird, dass er es mir immer noch nicht gesagt hat. Wir seitdem keinen Kontakt mehr hatten. Er es nichtmal fertig gebracht hat, mir für heute abzusagen, geschweige denn, zu reagieren.
Als die Erkenntnis folgt, dass es mal wieder daran gescheitert ist, dass ich "zu erwachsen" bin.
Als mein Gedächtnis mich unsanft daran erinnert, dass es bis jetzt jedes Mal so war.

Am Auto mit dem Mischpultmann auf den Raucher, Ms Golightly und den Masochisten gewartet und jeden Annäherungsversuch erfolgreich abgeschmettert, wie auch seine vorhergehenden Versuche, mich abzufüllen;
ich weiß nicht, wer mehr über meine Trinkfestigkeit erstaunt ist, er oder ich. Aber er hat wohl seine Lektion gelernt, investiere nie in den Versuch, eine Frau betrunken zu machen, nur, weil du anders noch weniger Chancen bei ihr hättest. Sie könnte es bemerken und ein wenig ausnutzen,um auch mal wieder zu ihrem Malibu-Kirsch zu kommen.
Allgemein macht man Leute nicht einfach betrunken.

Im Auto neben dem Raucher gesessen und, als sich Ms Golightly ein Lied ausgesucht hat, zusammenbruchsfrei Wings von Frittenbude gehört.
Auch, wenn es das Festivallied ist, das erzählt von Hinfahren und Vorfreude, von Warten und Imautoschlafen, auf dem Schoß des Fremden, von Imzeltliegen und Frieren, in den Armen des Fremden.
Von Zugfahrten in die Kleinstadt, mit ein wenig Vorfreude und viel geistiger Anstrengung zur Optimismusbeschaffung, und immer mit dem Gedanken, es wird alles gut, muss ja.
Von dieser betäubten Fassungslosigkeit, die sich einstellt, wenn man realisiert, dass man mal wieder verloren hat.
Von Liebe, zumindest für mich, und eigentlich habe ich gehofft, dass es ein glückliches Liebeslied ist, für mich.
So ist es eben nur ein Liebeslied, und ich nehme nicht ihn mit, aber dafür ein Erinnerungsbündel, ein Quäntchen mehr Lebensweisheit, ein paar weitere Narben, denn irgendwann sind es nur noch Narben und keine Platzwunden mehr, und ich weiß ein wenig mehr, wie es aussieht, wenn die Endzeitstimmung akut gefährlich wird.
Vielleicht gehöre ich zu denen, die nicht dazu bestimmt sind, glücklich zu werden.

Am Tisch der Raucherfamilie gesessen, von Großvater Raucher als "guter Fang" bezeichnet worden, wovon er auch nicht abkam, als wir erklärt haben, dass wir nicht zusammen sind, und von Großmutter Raucher ein Kompliment für meine ausnahmsweise offenen Haare bekommen, "so schöne lange, rote Wellen, wie eine Elfe. Oder eine von den Urwaldfrauen da, wie eine Amazona." Amazone, korrigiert der Raucherbruder. Und meint, dass das davon abgesehen nicht geht, entweder Elfe oder Amazone.
Jeglichen Fluchtinstinkt erfolgreich unterdrückt, obwohl mir so sehr nach Weglaufen war. Immer wieder vom Raucher beruhigt worden, niemand hasst mich, alles wird gut, ich störe nicht, sonst war der Fremde auch immer einfach so zum Geburtstagskuchen da, und abends.
Der Fremde hat auch keine Angst davor, mit unbekannten Menschen zu reden.
Oder mit ihnen an einem Tisch zu sitzen und Kuchen zu essen, während sich die Überzeugung, von ihnen mit den Augen seziert zu werden und einen Eindruck zu hinterlassen, der nicht gerade positiv ist, immer weiter festigt, wie Beton, der sich als Mauer um das Selbst hochzieht und einen so nur noch mehr isoliert.

Viel zu spät nach Hause gekommen, weil Großmutter Raucher und die Rauchermutter mich ins Kreuzverhör genommen haben, während Großvater Raucher und der Rauchervater parallel ihren Sohn über unser Verhältnis zueinander ausfragten, sie mir nebenher noch Kuchen andrehen wollten und der Hund so lange die Tür blockierte und mich nicht gehen lassen wollte, bis der Raucherbruder ihn angeleint und Gassi geschleift hat.
Bemerkt, dass sich dem Raucher gegenüber die altbekannte Näheallergie (wieder?) einstellt.

Mich auf die Suche nach dem Telefon gemacht, um anzurufen. Ohne Raucher.
Es blockiert vorgefunden, gewartet, irgendwann fast durchgedreht und die große Runde spazieren gegangen.
Drei Stunden später wieder heimgekommen und nicht getraut, bei der Notfallnummer anzurufen.
Versagt.




Samstag, 4. August 2012




Die Ansätze mehrere Zentimeter rausgewachsen, Nichtessenkönnen und Fressphasen wechseln sich ab, erreichtes droht, wieder zu verschwinden, die ehemals endlich langen Fingernägel sind wieder kurz, aber immerhin lackiert, und im Dutt versteckt sich jetzt eine Länge, die 5 cm vor der Taille herumkrebst.
Wenn ich fühle, dann mit voller Wucht, bis nichts mehr von mir übrig ist.
Vielleicht sieht man es mir an.

Und "Leben" findet wieder ausschließlich am Wochenende statt; leben kostet Kraft, und die spare ich mir auf für dann, wenn ich sie brauche. Der Rest verschwindet in Pseudoapathie, einfach weiteratmen, aussitzen, alles wird gut, undsoweiter, nur gelegentlch unterbrochen, wenn eine sms oder eine Nachricht ankommt; dann ist da auf einmal alles, was nicht sein sollte, und der Rest, der ist egal.
Ein, zwei Stunden lang, manchmal auch drei.
Reicht, um alles andere zu auszublenden, zu vergessen, sodass die Realität, das gemeine Biest, leichtes Spiel hat, wenn sie sich anschleicht und meine Seifenblase zerplatzen lässt.
Ich baue mir trotzdem immer wieder eine, wider besseren Wissens, und vielleicht ist sie irgendwann lebensfähig, die Seifenblase.
Dann, wenn sie sich ein dickes Fell zugelegt hat, dann schubst sie die Realität einfach um und alle Zweifel aus dem Weg, und dann geht es bergauf, gnadenlos, so, dass man vor lauter Harmonie und Glücklichsein eigentlich kotzen müsste oder zumindest mal weinen, und vielleicht tue ich das dann ja, weinen vor lauter Positivgefühl, und mache dann ganz absurde Sachen, an Gott glauben oder sowas, oder kleine Kinder süß finden, einfach, weil, egal, ob die Welt in Glückseligkeit ertrinkt oder nicht, für mich dann alles gut ist.

Bis es soweit ist, geht der Kreislauf aus zerplatzten und neu entstehenden Seifenblasen weiter, stehe ich weiter zwischen ganz oben und ganz unten, eigentlich an beiden Extremen gleichzeitig und mitten überm Abgrund.
Eigentlich alles an Seelenleid offen ins Gesicht geschrieben, aber gut getarnt hnter rauswachsendem Ansatz, tiefen Augenringen, abblätterndem Nagellack, Schlafmangel und eigentlich sind da wieder Gewichtsprobleme oder eher die Angst davor, sind da Entscheidungen, die anstehen und Unsicherheiten, die drohen, Dinge, die monströs auf meiner Brust sitzen und mir die Luft abdrücken wollen, aber es gibt gerade wichtigeres als das, also weg mit den Schatten, den Unsicherheiten, den Hürden und Grenzen und Barrieren, ich habe gerade keine Zeit für sie.


Heute ist die Bitchparty, in 13 Tagen fahre ich mit dem Fremden und Ms Golightly aufs Festival, bin ich seit etwas mehr als einem Monat 18 und seit fünf Jahren mutterlos.




Freitag, 20. Juli 2012
mayhem: Ich kann manchmal schwer in Worte fassen,was ich eigentlich sagen will...
Fremder: Dann musst du es in die Welt herausschreien .


" Ich merke gerade,dass ich seit einer halben Stunde alleine im Büro sitze, meine Kollegen sind schon längst weg.."
Er holt zwar morgen die Ghettoschwester und ihren Anhang ab, aber auch mich.
Ich habe zwar kein Guthaben mehr, aber seine Handynummer.

" Das habe ich alleine eingespielt. Hörst du es dir mal an und sagst mir danach,was du davon denkst?"
Der vergangenheitsgeschädigte Teil meines Unterbewusstseins sagt zwar,dass das nichts besonderes ist und er es bestimmt immer so macht,
aber er hat mir Lieder geschickt, selbstgeschriebene, mit Bands aufgenommene, alleine eingespielte, und Texte, gute Texte.

" Die alten Disneyfilme mag ich. Nicht die neuen, totanimierten, außer vielleicht Ice Age.."
Ich hatte zwar so oft das Gefühl,ihn abgestoßen zu haben, aber es kam immer wieder eine Reaktion, und auf jede Erschreibtnichtmehr-Panik folgte wieder eine kleine Entspannung,wenn auch nicht genug, um schlafen gehen zu können.

"Sorry, das verstehe ich jetzt nicht."

Ich toleriere anscheinend mehr, als ich dachte.
Entweder ist das "erwachsen werden", "Abweichen von Prioritäten", oder schlichtweg dumm/schwach.

" Du darfst so nicht denken. Wenn ich mir etwas vornehme, dann schaffe ich es auch. Punkt. Und wenn ich mir etwas einrede, dann passiert es auch früher oder später."
Ab jetzt hoffe ich wieder, ganz offiziell, und versuche, die Angst, die dabei entsteht, irgendwie abzuschalten.




Dienstag, 3. Juli 2012
Erschöpfung, hevorgerufen durch zu wenig Schlaf und zu viel Leben, und trotzdem, die Gedanken rasen und der Sog wird stärker.
Ich muss raus hier, aufstehen, weg, gehen.
Die Gedanken werden schwächer, der Sog bleibt, Tendenz: herzzerreißend.
Wie wäre es mit einer Runde Rechtsnormen definieren oder, auch ganz nett, für den Führerschein lernen?
Ach fick dich, Verstand.

Ms Golightly setzt sich, wenn es ihr zu viel wird, ins Gras oder in den Wald oder auf eine Wiese.
Stundenlang kann sie da dann sitzen und ihren Gedanken zuhören, sagt sie. Stillstand ist Fortschritt.

Wenn es mir zu viel wird, gehe ich spazieren.
Stundenlang durch den Wald und manchmal über die Felder, streckenweise Panzerstraße. Über Weggabelungen, an denen mitten im Nichts ein Gartenzwerg auftaucht , vorbei an der verlassenen Ranch, dem leerstehenden Bungalow, den schwarzgesichtigen Schafen im zugewucherten Wildgehege, Futterkrippen, manchmal Rehen; nie zweimal exakt die gleiche Strecke, aber immer mit System.
System bedeutet Sicherheit.
Sicherheit kann ich gebrauchen.

Die Zwanghafte ist sich selbst zu viel, und deshalb läuft sie.
Läuft und rennt und spielt Fußball und Volleyball und macht Leichtathletik und fährt immer mit dem Fahrrad zur Schule, zum Einkaufen, ins Kino, in die Stadt. Ein Besuch der Bibliothek wird zur anspruchsvollen Radtour.
Der Fehler liegt darin,dass es nicht ihre Zwänge sind, die weniger werden, sondern ihr Körper.
Man kann Unsicherheiten, die in übertriebenem Perfektionismus resultieren, und Gedankenstrudel genauso wenig weghungern wie Steine auf dem oder das Loch im Herzen.
Dafür gehen ihre Nägel. Abgebrochen und abgerissen, bis ins Fleisch.
Und ihre Haare. Heute am Kopf gekratzt und danach eine kleine kahle Stelle gehabt. Nein, Vitamintabletten gleichen es nicht aus.
Und ihre Zähne. Werden, versteckt hinter Hamsterbacken, gelb und empfindlich und locker im entzündeten Zahnfleisch, von dann, wenn sie doch essen musste.
Nein, jedes Mal Zähneputzen verhindert es nicht.
Und ihre Haut an den Händen. Aufgescheuert, löst sich fetzchenweise ab. Auch einen Bodenscheuerzwang kann man sehen.

Der Mitsanitäterin ist auch einiges zu viel, aber sie hält nicht viel davon, draußen zu sein, wenn es sich nicht um eine Party handelt, sie muss anders kompensieren.
Das Leben und sich selbst.
Und weil sie Feinde sind, ihr Leben und sie, ist da dieser Kompensationskontrast und sie ist unter der Woche zwanghaft und am Wochenende betrunken bis bewusstlos.
Man merkt es nicht, wenn man nicht dabei ist, weil sie trotzdem ihre Leistung bringt, denn Lernen bedeutet für sie, Bücher auswendig lernen, seitenlange Mitschriften (sie schreibt alles mit,was im Unterricht gesagt wird, nur zur Sicherheit) auswendig lernen, Arbeitsblätter so lange kopieren und nochmal ausfüllen, bis sie sich merken kann, was in die Lücken gehört, und den Kommentar zur Lektüre auswendig lernen, weil sie für die Zwischentöne kein Gefühl hat.
Für die Schule bedeutet das einen Notendurchschnitt von 1,1.
Für sie die selbst geschaffene Hölle aus irrationaler Versagensangst und noch mehr Selbstzwang.
Für die Zwanghafte auch.
Vielleicht sind sie deswegen Feindinnen, zu viel Konkurrenzdenken und zu viele Ähnlichkeiten.

Ms Golightly braucht physische Nähe.
Sie braucht Umarmungen, ankuscheln bei jeder Gelegenheit, Händchenhalten mit der besten Freundin und einen Abschiedskuss für jede Person, die geht.
Der nicht glücken wollende Versuch, die Wärme wieder reinzukriegen, die zuhause fehlt.

Ich brauche menschliche Wärme. Und komme nicht damit zurecht, wenn sie mir entgegen gebracht wird.
Manchmal vertrage ich keine Umarmungen, ich fühle mich sehr oft unwohl, wenn jemand das Bedürfnis hat, sich anzukuscheln und allgemein, wenn ohne Vorwarnung und Eingewöhnungszeit Kontakt gesucht wird.
Ich hasse Abschiedsküsschen und gebe deswegen keine, wenn ich küsse, dann richtig und dann die Person, die ich liebe.
Ich mag es nicht, Schülerstapel bilden zu müssen, weil nicht genug Platz für jeden ist. Weder habe ich gerne jemand der anderen auf meinem Schoß sitzen, noch platziere ich mich gerne auf dem einer Mitschülerin.
Ich habe aber gelernt, dass man das anscheinend so machen muss, wenn man Schülerin und da sonst kein Platz mehr ist und man als wenigstens ansatzweise normal durchgehen will, also lasse ich es gelegentlich über mich ergehen. Für die Zwanghafte ist sowas kein Problem.
Eigentlich mag ich auch keine ritualisierten Begrüßungs- und Abschiedsumarmungen, aber sie scheinen sehr vielen Leuten sehr wichtig zu sein, deshalb habe ich angefangen, sie zu üben, und gelernt, auch Blondine2 zum Abschied zu umarmen, obwohl ich das eigentlich gar nicht möchte.
Dafür lasse ich es bei denen, die ich nicht nur umarmen, sondern auch festhalten möchte.

Ms Golightly, die Zwanghafte, die Mitsanitäterin und ich, wir kennen die Unsicherheit.

Ms Golightly lebt deswegen nach außen, sie ist laut und auffällig und direkt und selbstbewusst und im ersten Moment nervig, damit niemand merkt, wie verunsichert sie ist. Klingt nach mir vor 2, 3 Jahren.
Ich habe aufgehört.

Die Zwanghafte lebt deswegen zum vermeintlichen Perfektionismus hin, destruktiv, aber ohne die Romantisierung, die mit diesem Begriff manchmal getrieben wird.

Die Mitsanitäterin lebt deshalb im Spagat zwischen Kontrollbedürfnis und Kontrollverlust, und hätte sie sich zu irgendeinem Zeitpunkt gefunden, sie hätte sich spätestens jetzt wieder verloren.

Ich lebe deswegen einfach. Konzentriere mich auf nichts und alles, einfach weiteratmen.
Trotzdem sieht keiner, wie unsicher ich bin, und die meisten deuten es als Arroganz.
Die Formen der romantisierten Destruktivität habe ich abgelegt, das Ideal der verzweifelten, traurigen Seele, das manche erreichen wollen, ist keins.
Manchmal versuche ich immernoch, Kontrolle zu haben, am meisten über mich selbst.
Meistens versuche ich immernoch, Menschen zu verstehen. So, wie ich gelernt habe, dass man sich umarmen muss, wenn man geht, und nochmal, wenn man sich am nächsten Tag wieder sieht, dass Freundlichkeit manchmal auch gespielt und verarschen ist und dass man gegen manche und manches nicht ankämpfen kann, sondern sie oder es einfach aushalten muss, irgendwie.
Vermutlich muss man zwischenmenschliche Interaktion genauso lernen wie Fahrrad fahren oder Schwimmen, und bei allem Fortschritt, den ich langsam zu machen scheine, sollte es letzterem gleichen, sehe ich schwarz.
Ist es wie Fahrradfahren, gibt es noch die geringe Chance auf späten Erfolg,was die technischen Basiskenntnisse anbelangt.

Ich glaube, es ist wie schwimmen.