Montag, 6. Mai 2013
Ich habe heute meiner Verlorenheit getrotzt und mich dem Horror gestellt.
Das Retourepäckchen ins Mayhemmobil verladen, gestartet und alleine den Weg in die andere Kleinstadt angetreten.
Über gefürchtete Straßen, vorbei am gefürchteten Supermarkt und hin zum anderen.
Ich habe sogar an einer fremden Tankstelle getankt.
Alleine.
Sonst hatte ich immer den Raucher dabei, Samstagabend, als Unterstützung, um mich nicht zu panisch zu fühlen unter den ganzen fremden Menschen und in der ungeliebten Stadt, aber das geht jetzt eben nicht mehr.
Also bin ich nach dem Tanken zu einem anderen Supermarkt gefahren, weil ich keinen Umweg nehmen wollte, habe so weit wie möglich weg von den ach-so-coolen-beinahe-Altersgenossen (und somit auch vom Eingang) geparkt, einen Einkaufswagen geholt und bin rein gegangen.
Alleine.
Viel zu viele Menschen kamen mir viel zu nahe, weil augenscheinlich niemand mehr fähig ist, einen Höflichkeitsabstand zu halten, wenn es um den letzten Packen Rinderhack geht, der drei Regale über der MHD-abgelaufen-Ecke liegt, vor der ich knie, und ein paar Mal möchte ich mich auf den Boden kauern und in einem verzweifelten Heulkrampf versinken; einmal stehe ich vorm Saftregal und bin völlig verloren und den Tränen nahe, weil ich mir welchen kaufen möchte, aber 1.5l Apfelsaft niemals leer bekomme, bevor eine lustige Pelzschicht an der Oberfläche schwimmt, und es keine kleinen Packungen mehr gibt, aber irgendwie schaffe ich es, die Sachen zu finden, die ich möchte, (notgedrungen mit Multivitamin- anstelle von Apfelsaft; der einzigen Variante, die es auch in kleineren Mengen gab) bis zur Kasse zu kommen, aufzuladen, zu bezahlen, einzuladen, und das Mayhemmobil zu bepacken.
Im Auto eine Runde Herzschlag beruhigen ob der übermenschlichen Leistung, die ich da gerade vollbracht habe. Ganz alleine einkaufen. In der gefürchteten Kleinstadt. Applaus bitte.
Eine SMS von der Egoschleuder: Die Frage erübrige sich zwar eigentlich, aber wie es mir gehe.
Den Umständen entsprechend, man leidet eben schubweise, antworte ich, und frage in einem Anfall spontaner geistiger Umnachtung, ob er schon zuhause ist. Bin schließlich gerade in der Gegend.
Nee, heute weder Berufsschule, noch Arbeit, sondern Treffen mit der Innung, das dauert. Genau genommen noch bis Mittwoch. Was mich dazu gebracht habe, freiwillig den Weg in die verhasste Stadt anzutreten.
Nahrungsmittel und Getränke besorgen, von irgendwas muss man ja leben und eigentlich lautet mein Plan, wieder öfter zu kochen, antworte ich ihm.
Noch in der gleichen Minute ruft er an.
"Ich hab gerade nicht viel Zeit, muss gleich wieder rein. Aber wenn du willst, kannst du am Wochenende zu mir und wir können zusammen kochen. Ach was,du kommst einfach zu mir und wir kochen!" Seine Begeisterung strahlt mir förmlich durchs Telefon entgegen und zerrt ziemlich an meinem strapazierten Herz.
-"Weiß nicht. Muss halt schauen, ob ich Zeit habe... Wie gut kannst du eigentlich kochen?"
"Absolut gar nicht", lacht er. "Aber du bist ja da. Dann helfe ich dir einfach. Ich freu mich jetzt schon!"
Es folgt ein ausführlicher Vortrag darüber, wie toll gemeinsames Kochen, besonders mit mir, sei, der erst abreißt, als ein mutmaßlicher Arbeitskollege die Egoschleuder darauf hinweist, dass die Mittagspause definitiv vorbei ist.
"Meld dich dann halt einfach, wann du Zeit hast. Ich freu mich schon!"
Sache aus seiner Sicht geregelt.

Ich allerdings sehe mich, bevor ich über Möglichkeiten der Wochenendgestaltung nachdenken kann, mit viel näher liegenderen Problemen konfrontiert: gegenüber ist die Drogerie. Ich brauche eigentlich was von da.
Um hinzukommen, müssste ich mich auf den total unübersichtlichen, total vollgestopften Parkplatz zwängen, dessen komische Seitenausfahrten mit viel zu schmalen Mini-Gässchen verbunden sind und immer von mir übersehen werden.
Will ich mir das antun?
Ein vorsichtiger Blick auf das Gelände erspart mir weitere Überlegungen und lässt mich instinktiv nach links abbiegen, das fünfte Polizeiauto innerhalb von 2 Tagen kann nämlich kein Zufall sein, sondern ist eindeutig als Zeichen zu sehen, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.
Nicht, weil ich aussehe wie ein zugedrogtes, überfahrenes Eichhörnchen, das drei Wochen im Regen gelegen hat (und mich zeitweise auch so fühle), oder weil mein eines Rücklicht kaputt ist, das Wischblatt-Teil des hinteren Scheibenwischers lose runterhängt und das ganze Auto eher..unrund läuft, sondern einfach, weil ich gerade Angst vor fremden Menschen habe. Erst recht, wenn es Autoritätspersonen sind/sein sollen.
Hab heute aber auch schon genug geleistet.