Mittwoch, 18. Januar 2012
Thema: von herzen
Standing in line
To see the show tonight
And there's a light on
Heavy glow
By the way I tried to say
I'd be there...

( By the Way-Red Hot Chili Peppers)

Alte Sache,
Ich weiß noch, als wir zum Ersten Mal zusammen in der Absteige waren.
Ich hatte die Mitgitarristin, mit der ich damals noch Kontakt hatte, dabei und wir waren früher da und ich praktisch ein Nervenbündel, bis du dann endlich mit deiner Schwester aufgetaucht bist.
Sie kam mir damals genau so vor, wie sie eigentlich ist: Einfach gestrickt, ein bisschen laut, aber ziemlich ehrlich und nett.
Ich hatte dich davor eine Weile nicht gesehen, waren es zwei Monate?
In diesen zwei Monaten habe ich hibbelnd in front of my computer gesessen und gewartet,dass du schreibst.
Am ersten Rotkreuzabend, da hatte ich dich wieder gesehen, nach drei ganzen Jahren warst du auf einmal wieder da in meinem Leben, dein Haar war damals so lang wie meins und auch zusammengebunden, aber lockiger, und ich habe dich angesehen und war praktisch wieder genau so weg wie damals vor drei Jahren.
Habe dich den ganzen Abend angestarrt und mich nicht getraut, mit dir zu reden, aber dann bist du länger dageblieben, wie die Mitsanitäterin und ihr Vater, und während die sich Getränke geholt haben, saßen wir beide alleine am Tisch, und du hast genauso seltsam geschaut wie ich, und das erste,was ich zu dir gesagt habe, war: "Ich kann ganz furchtbar schlecht mit fremden Menschen reden."
Wenn die Angst dich übermannt und du keinen Ton herausbekommst, dann thematisiere sie einfach. Anscheinend hat das funktioniert, wir haben ein bisschen geredet und du hast mir von der Absteige erzählt, die ich vorher nur von Außen kannte und mir lieber nicht aus der Nähe ansehen wollte, weil die Leute, die da hingingen, damals alle so abgeranzt und abgefuckt gegen mich wirkten.
Ich habe mich nach diesem Abend trotzdem überwunden und Kontakt gesucht, unter dem Vorwand, mich wegen dem Konzert melden zu wollen, zu dem du mich mitnehmen wolltest. Beatsteaks waren es, ich weiß es noch. Du auch?
Diverse Wochen Funkstille und einen Rotkreuzabend später waren wir dann da, in der Absteige.
Es folgten weitere Absteigentage, selten auch mal ohne deine Schwester, und man haute mir dann so irgendwie euren restlichen Bekanntenkreis um die Ohren, das war anstrengend für mich, so viele fremde Menschen und außerdem hatte ich Angst, irgendwie komisch zu wirken oder zu kindlich oder sowas.
Hat anscheinend doch funktioniert, heute hat deine Schwester mich wieder zu einem DVD-Abend eingeladen.

Weißt du, in meiner Wunschvorstellung war das immer so,dass ich diejenige bin,mit der du am DVD-Abend verkuschelt rumsitzt.
Nicht so verkuschelt, ich bin ja keine große Freundin extremer öffentlicher Zuneigungsbekundungen, aber so ein bisschen hätte ich schon ganz nett gefunden.
Es war eine Illusion, mir einzureden, über die drei Jahre wäre es verloren gegangen.
Eigentlich dachte ich auch, es könnte etwas werden, schließlich war da etwas Besonderes, da war auch die Aufmerksamkeit da, am Anfang,wenn wir wegwaren, und es hat ja gepasst, Verständnis ohne Worte und da war keinerlei Negativgefühl,wenn ich mit dir zusammen war.
Ich glaube, du bist bis heute die einzige Person, bei der es mir so geht, selbst jetzt, wo das einzige,was wir noch zusammenkriegen, ein bisschen Teilzeitfreundschaft ist.
Du hast das irgendwie nicht so mitbekommen, ich bin anscheinend gut im Gefühle tarnen und verstecken; es ging dann auch bergab, als ich dir in einem Gespräch das erklärte, was ich mir dachte: Dass ich mir im Verliebtheitsfall die Frage stellen würde, ob ich mich der Person, die ich liebe, wirklich antun will. Mit allen Macken und Ticken und Narben und dem Vergangenheitsklotz, den Ausdrucksschwierigkeiten,wenn es um Gefühle geht, der großen Unsicherheit und meiner gnadenlosen Verplantheit.
Anscheinend hat das irgendwie nicht so super gewirkt, jedenfalls hat sich das Ganze dann irgendwie..aufgelöst. Freundschaft war da noch,immernoch besonders und mit viel Verständnis ohne Worte, aber auch mit, und so hast du mir dann davon erzählt, als du dich in sie verliebt hast und wolltest meinen Ratschlag hören.
Weißt du, irgendwie tat das weh.
Ich habe trotzdem mit dir mitgefiebert, wenn auch für einen anderen Ausgang als du.
Als es mit ihr nichts wurde, hast du es bei der Feindin versucht, mir aber davon nichts erzählt,weil ich wohl zu gut mit ihr befreundet schien; dann kam deine jetzige Freundin an die Reihe, die dann eben nicht nein gesagt hat.
Ich weiß nicht, wie "besonders" das Freundschaftsding bei uns war. Ich meine,das,was du mir erzählt hast, und angeblich nur mir, hast du ja mit dem selben Zusatz auch den anderen erzählt; die Masche war auch die selbe, die ganze Aufmerksamkeit, das Besonderheitsgefühl, und sobald man etwas falsches sagte, war es dann eben nichts mehr; ich will das ja eigentlich immernoch nicht glauben, dass das so war und du das absichtlich getan hast, war es auch keine Absicht, weil du ganz treudoof nicht gerafft hast, was du eigentlich machst.
Die Feindin mag dich nicht.
Weil du schlechte Witze machst, vor allem über Beamte, und weil der Kontakt so plötzlich abbrach, sowohl bei ihr als auch bei mir.
Ich mag dich noch, als Freund.
Finde es nicht gut, dass du gesagt hast,du hättest es nur mir erzählt; ich die erste gewesen wäre,mit der du darüber geredet hast; dass wir alle irgendwie ins Schema deiner Exfreundin passen und am allermeisten deine Aktuelle, wo du doch sagst,du hast mit der Vergangenheit abgeschlossen; dass wir, die Feindin und ich, oft garnicht mehr eingeladen werden; dass ich gucken muss, wo ich bleibe,wenn ich doch mal da bin, weil ich mit niemandem reden kann, sind ja alle im Pärchen, außer deiner Schwester und ihr, die dann miteinander reden, und dem Studenten, der in seiner Verliebtheit belastend und manchmal auch nervig ist, obwohl ich doch sehr klaren Klartext geredet habe.
Jetzt ja auch mit dir; du kamst dir ja ganz unauffällig vor, also habe ich ganz unauffällig die Fronten zwischen dem Studenten und mir geklärt.
Wir haben dann noch ein bisschen geredet und du meintest, du würdest ja zwischenmenschliches gut bemerken, außer, wenn sich jemand in dich verliebt hat.
Weißt du,als du das geschrieben hast, hätte ich am liebsten "JA, ICH WEISS" mit mehreren Ausrufezeichen geschrieben. "Ja, ich weiß, weil ich es war".
Ich habe oft überlegt,es dir zu sagen, weil du im Gegensatz zum Problem jemand bist, bei dem ich weiß,dass er mich nicht auslachen würde. Du hättest mich wahrscheinlich angesehen und wärst genauso fertig gewesen wie ich.
Ich habe es dir nie gesagt. Gegen Ende hätte ich es gekonnt, aber ich habe es nicht, weil es die Freundschaft kaputt gemacht hätte, die Freundschaft, die die andere Hälfte des Spagats ist, den der Kontakt mit dir für mich darstellt.
Es hat nichts daran geändert,dass diese Freundschaft verfällt.
Wenn doch mal wieder was ist, fühlt es sich nicht ganz so kaputt an, auch,wenn wir an den seltenen Terminen,an denen wir uns sehen, nicht mehr reden, nicht mehr wie früher und oft genug nichtmal normal, aber wenn nicht gerade Funkstille ist, fühlt es sich an,als könnte man da noch was retten.
Ich will da auch noch was retten, weil du einer der tollsten Menschen bist, die mir je begegnet sind, fertig.
Quasi Seelenverwandschaft auf Freundschaftsebene.
Vielleicht war das ja gar kein Verliebtsein, es hat sich sowieso anders angefühlt, nicht wie das Gefühl beim Problem, also eine weitere Mutation von Liebe, mein Herz ist irgendwie unfähig, etwas normales hervor zu bringen.
Das, was da für dich war, das war nicht ganz so destruktiv wie die Sache mit dem Problem, aber trotzdem anstrengend genug.
Wenn ich früh graues Haar bekomme, bist du Schuld, jawohl.
Hast mich mindestens zwei Lebensjahre durch emotionalen Stress gekostet, und einiges an Tränen.
Ohne es je gemerkt zu haben, ohne auch nur ansatzweise auf die Idee gekommen zu sein.
Die Frage,was wäre, wenn du es gemerkt hättest, wird wohl noch eine Weile bleiben, aber ihr seid ja anscheinend ganz gut arrangiert miteinander und wohl auch glücklich, du und sie, das Exfreundindouble, und ich will euch das nicht kaputt machen.
In emotional verwirrten Momenten habe ich natürlich auch schonmal gehofft, dass Schluss ist zwischen euch, aber weil du ein grundstabiler Mensch bist, mit solider Seele und solidem Hintergrund, der gerne solide, lange haltende Beziehungen führt, wird das wohl nicht so schnell passieren.
Ich habe mich ein Stück weit damit abgefunden, ein schleichender Prozess war das Abfinden, es ging jedenfalls besser als beim Problem, vielleicht auch, weil du mich schon im Voraus durch so viele emotionale Zusammenbrüche geschleift hast, dass der endgültige Schlag gar nicht mehr so brutal war; kannte das ja schon, war vorbereitet und lag ja schon am Boden, somit konnte es mich auch nicht mehr niederschlagen.
Wir sind da so rumgelaufen auf dem Fest in der Stadt, sie und du händchenhaltend, ich dann irgendwann alleine oder mit ihr weil der mitgeschleifte Kumpel mit der weiblichen Seite mit seinem jetzigen Hasischatzi ins Gespräch gekommen war,und während ich vorm Weggehen noch Angst gehabt hatte, ich könnte das Bedürfnis verspüren, mich von der nächsten Brücke zu schmeißen, war das dann irgendwie garnicht so.
Schockzustand,dachte ich mir. Schockzustand,der Zusammenbruch, der große, der kommt schon noch.

Ihr seid jetzt bald ein halbes Jahr zusammen und der große Zusammenbruch war noch nicht da.
Ein Spagat ist es immernoch, ich muss ausgleichen zwischen der Feindin, die dich nicht mag, und dir, der du deswegen die Feindin etwas irritierend findest;
zwischen dem Nullbockgefühl,wenn ihr wieder sowas ultracooles vorhabt wie den Abend mit hirnlosen Partyspielen, und dem Wissen,dass man sonst garnicht mehr eingeladen wird;
und das Isolationsgefühl ist da auch noch, weil ich ohne Feindin schon garnicht mehr weiß, mit wem ich reden soll, seit du beziehungstechnisch ausgelastet bist und der Kumpel auf Befehl Wunsch Hasischatzis nicht mehr mit mir redet.
Deine Schwester, die lacht manchmal,wenn ich rede,weil sie geistig überlastet ist; und sie findet das seltsam,wenn Faust und ich über den Sinn des Lebens oder die Lektüre, aus der sein Name stammt, diskutieren, während er seine Zigarre raucht, sein Rumglas leert und ich die restliche Kohlensäure aus meinem Mediumwasser rausschüttle, reden ist deswegen oft nicht so drin.
Ich verlegte mich also auf das,was ich am besten kann: Verunsichert schweigen.
Überhaupt hatte das alles, das ganze Drama, auch seine positiven Auswirkungen.
Jetzt mal abgesehen von diesem klischeehaften "ich bin härter geworden", das stimmt nämlich nicht..

Ich lasse die Unsicherheit einfach Unsicherheit sein und habe eine bemerkenswerte Scheißegaleinstellung gegenüber dem Rest des Kollegiatenhaufens entwickelt, überhaupt ist meine Arschlochtoleranz ziemlich groß geworden; weiß ja,dass da Leute sind, die mich irgendwie zu mögen scheinen. Oder schienen, man weiß es nicht.
Vielleicht ist ein Teil deiner unendlichen Stabilität, die ich so bewundere, auf mich übergegangen, und ich erwische mich damit, wie ich zwar wieder dauernd unterbrochen werde und trotzdem jedem Mist zuhöre und dabei mitfühle, aber mir denke, dann ist es eben so.
Und bei jedem "Du musst selbstbewusster werden" ein "Nein,das ist schon ganz gut so, wie es ist" denke. Manche Leute sind eben nicht für sowas gemacht.

Wir sind beide solche Sonderfälle, du und ich; die irgendwie immer für jeden da sind, aber umgedreht dann irgendwie alleine dastehen. Sich eigentlich nicht trauen, mit Fremden zu reden oder Kontakt zu haben, und wenn das bedeutet, auf ein Getränk zu verzichten, weil man sich nicht alleine an die fremde Bar mit fremden Personal traut. Oder zuspätkommen, weil man sich nicht traut, bei den Leuten, die man zum ersten Mal besucht, zu klingeln und hin- und her überlegt, wie man auf andere Art und Weise rein oder wieder nach Hause kommt.
Vielleicht heißt das, dass ich nicht ganz so komisch bin, wie es sich manchmal anfühlt, vielleicht heißt es aber auch,dass wir beide einen ganz massiven Schaden haben, aber das Wichtigste ist das "beide" in dem Satz.
Ich war nicht alleine mit meinem Schaden.

Eine Zeit lang war ich nicht alleine damit, mit mir, mit all dem, und ich hatte zumindest das Gefühl, jemanden gefunden zu haben, mit dem ich über es alles hätte reden können. Ich habe dieses Gefühl auch manchmal heute noch, aber es verblasst immer mehr, so wie die Erinnerungen an früher,an den Anfang, bei dir zu verblassen scheinen und es die Freundschaft, die doch so besonders war, tut.
Vermutlich ist da nichts mehr zu retten, danke sagen möchte ich dir trotzdem.
Nicht persönlich, das würde dich nur verwirren und ich müsste dir zwangsläufig sagen, was da so zweitweise in mir drin los war, und so schreibe ich dir wieder einen Brief, den ich nie abschicken werde.
In meinem Blog, den du hoffentlich nie finden wirst.
Vielleicht schließt es dieser Brief ab, was auch immer "es" ist;
"es", das angefangen hat vor fünf Jahren,als du am Schaltpult gesessen hast und mir deinen Rücken zugewandt hast; das weiterging, als du bei eurem Abistreich auf der Bühne gesessen und Gitarre gespielt hast; das einen Schubs bekam, als ich dich und deine Damals-noch-Freundin gesehen habe, das sich verlief im Sand und abgeschlossen war; das wieder da war, als dein Name im Verteiler dieser einen Mail auftauchte; wiederbelebt wurde, wieder voll da war, diverse Schläge einstecken musste, emotional zu Grabe getragen wurde, leider mehrfach wieder auferstand und jetzt nach vollendeter Metamorphose anders vorliegt.

Trotz allem Danke.
Vielleicht auch, weil meine ganze Person sich in diesem einen Jahr mehr verändert hat, als das eigentlich denkbar war, und diese Veränderung nicht völlig negativ war;
eventuell,weil du geholfen hast bei dieser Selbstfindungssache,
weil ich ohne dich niemals in die Absteige gegangen wäre,
auch, weil ich sonst die Feindin nicht kennengelernt hätte,
obwohl es mir diverse hirnlose Spieleabende und Herzschmerz erspart hätte,
weil ich einiges verpasst hätte,
du meinen Musikgeschmack erweitert hast,
du mir manchmal Halt gegeben hast,
und den Glauben an sowas wie Seelenverwandschaft, auf welcher Gefühlsebene auch immer.

und weil du mir,ganz manchmal, das Gefühl gegeben hast,dass ich nicht alleine bin.
Nicht alleine mit mir, mit dem ganzen Mist, dem kaputten Herz und der kaputten Persönlichkeit, der seltsamen Augenfarbe, dem Musikgeschmack und der -begeisterung, dem Liebesherzschmerz und der Depressivität; mit so simplen Dingen wie der Mittelalteraffinität.
Egal, ob es eine Illusion war oder nicht, es hat sich real angefühlt, in diesen Momenten.

Wenn es also nicht stimmt, wenn es nicht wirklich war und nur gespielt oder unecht, dann war es gut gemacht.


Ich möchte dir also danke sagen, dafür, dass du mir eine Zeit lang die Illusion gegeben hast, ich wäre jemand, zumindest für dich.
Und wenn es irgendwann so ist, dass du diese Freundschaft, die da mal war, doch ein bisschen vermisst, dann melde dich doch bitte bei mir.Sag mir einfach Bescheid, egal wann.
Ich würde mich freuen.



Das Böse alias Mayhem.