Mittwoch, 4. Januar 2012
Thema: monolog
Du erkennst mich nicht wieder
Allein
Mein Gesicht sei noch gleich
Und du weißt nicht ob das reicht
Um nicht alleine zu sein

Du erkennst mich nicht wieder
Unerkannt
bin ich die halbe Nacht
noch um die Häuser gerannt

Ich erkenn hier nichts wieder
Alles müde und alt
und ich male uns beide
als Umriss aus Kreide
auf den Asphalt

Du erkennst mich nicht wieder
Unerkannt
hab ich dann drüben im Park
meine Kleider verbrannt

Ich erkenn mich nicht wieder
Nur mein Herz das noch schlägt
Und ich hebe die Arme
um zu sehen ob die warme
Nachtluft mich trägt

Du erkennst mich nicht wieder
Unerkannt
flieg ich ans Ende der Stadt
ans Ende der Welt
und über den Rand




(in nicht-live nicht gefunden)

Einer dieser "vielleicht muss es ja so sein"-Momente.
"Ich erkenn mich nicht wieder, nur mein Herz das noch schlägt"
Hörst du, mein Herz schlägt noch und immer weiter, einfach so. Ich frag mich, wie es das macht.

Und an diesem grauen Tag sitzen die Katze und ich auf meinem Bett und starren die Tür an, während mein Vater im Nebenzimmer sitzt und entweder den Computer oder den Fernseher anstarrt, oder eingeschlafen ist.
Währenddessen sitzt mein verkindlichter Großvater alleine in seiner Wohnung, auch vor dem Fernseher, bis er in exakt sieben Minuten langsam die Treppe zu uns niederkämpfen und erzählen wird, was er schon den ganzen Tag wiederholt hat. Wenn er das erledigt hat, wird er wieder gehen und weiter alleine vor seinem Fernseher sitzen, bis er dann noch ein paar mal zu uns kommt und schließlich gute Nacht sagt.
Dann wird er schlafen gehen, kurz darauf auch mein Vater, und ich werde irgendwann so gegen 4 dasselbe tun, und wir alle werden uns denken, wieder ein Tag geschafft.
So werden die Ferien, in denen ich wohl doch nichts lernen und auch mein Portfolio nicht schreiben werde, verstreichen, sobald ich wieder zur Schule gehe verändert das den Rhythmus meines Großvaters dahingehend, dass er auch früh runterkommt, um Guten Morgen zu sagen.
Mein Rhythmus wird zerschossen werden durch meinen rund zwei Monate lang beurlaubten Vater, mein Nervenkostüm wohl auch.
Aber das kennen wir ja schon.
Doch auch dieses Übel geht vorbei, genau so, wie das Halbjahr vorbeigeht; noch ein Monat, dann sind die bösesten Klausuren vorbei und ich brauche nur noch knapp beide Hände, um die ausstehenden Tanzstunden abzuzählen, bis der erste Sportschwerpunkt gemeistert ist und es mit Nahkampf nichtgeschlechtergetrenntem Basketball weitergeht.
Wir sind dann schon groß, wir haben dann die erste Klausurenphase hinter uns. Uns kann nichts mehr erschüttern, wir habens das erste Mal überstanden.
Die einen mehr, die anderen weniger.
Und während ich in der Zeit danach das aufhole, was während dem Kurzzeitlernen für Einzeltests unterrichtstechnisch an mir vorbeigezogen ist, wird das Problem so langsam anfangen, Abitur zu schreiben.
Sie werden dann wieder grimmig guckend im Oberstufenzimmer sitzen, wenn es so weit ist; die weniger stabilen gelegentlich in Tränen ausbrechen, er wird stumm auf seine Aufzeichnungen oder an die Decke starren, oder vielleicht auf seine Freundin, wenn sie es denn ist.
Und ich werde dasitzen, am anderen Ende des Raumes, und er wir mir so fremd vorkommen, the stranger I used to love, so fremd wie die gesamte Situation, so seltsam, surreal, es wirkte immer so weit weg, und jetzt ist es auf einmal da und geschieht so vor sich hin.
Währenddessen wird die zweite Zweckgemeinschaft entweder auf ihrem Wurstbrot herumkauen, mit der Blondine reden oder auf ihre Schuhe starren, weil sie nicht weiß, was sie sagen soll, aber merkt, dass ich nicht reden kann gerade.
Diese Momente, die sie so verwirren. Wenn ihr Unterbewusstsein sagt, sag lieber nichts. Ich muss ihr vorkommen wie eine Außerirdische, wenn ich so dasitze, geistig abwesend wirke und wahlweise dabei bin, das große Geheule zurückzuhalten oder wirklich in Gedanken zu versinken, zu ertrinken.
Doppelpersönlichkeit, und wenn es diese Seite ist, die sie sieht, erkennt sie mich nicht wieder.

Eigentlich wollte ich immer mehr "ich" sein, aber irgendwo auf dem Weg dorthin habe ich mich wieder verirrt und ein Stück von mir verloren, während ich teilweise wieder in die alten Muster zurückgefallen bin.

Ich rede mir trotzdem ein, dass es nicht wieder das selbe ist.
Und es ist ja auch auch nicht das selbe, so viele seltsame Dinge, die da passieren..

Einfach mal so Kino mit der Feindin und ihrem Freund und es ist völlig normal,dass sie bei mir vorbeifahren und mich mitnehmen.
Und die Kollegiatinnen, die mit Kaffeebecher in der Hand zum Drogeriemarkt hetzen, um noch was zu kaufen und pünktlich zur nächsten Stunde wieder da zu sein, das sind wir.
Das Einlassbändchen hat jetzt mehr oder weniger die richtige Farbe,
die Tussenfraktion liest nicht mehr Bravo Girl, sondern Cosmopolitan.
Die Kettenraucher klauen ihre Zigaretten nicht mehr aus Papas Auto oder aus dem Supermarkt, sondern drehen selbst.
Die "Mädelsabende" der Upper Class mutieren zum "wir sind ja so erwachsen"-Schauspiel, mit Sekt und Gossip Girl,
das Gebluffe übers Sexleben könnte inzwischen sogar halbwegs der Realität entsprechen.
Spontanmutationen vom Nerd zum Normalmenschen passieren in seltenen Fällen und werden teilweise sogar gut aufgenommen.
Wir sind nichtmehr diejenigen, die fasziniert zuhören, wenn über Klausuren, Fachwahlen, Schwerpunkte und Abitur geredet wird,wir sind diejenigen,die es tun.
Während wir wie selbstverständlich im Oberstufenzimmer auf den Sofas sitzen, wo man sich noch am Schuljahresanfang nicht mal alleine hingetraut hat.
Und die anderen schauen im Vorbeilaufen rein und denken sich, wie unecht sich das doch anfühlt, dass die Leute da drin bald studieren.

Und dann ist da diese Gruppe an Leuten, von denen ich nie weiß, ob es richtige Freunde sind oder nicht; die die Feindin nicht mehr mag, weshalb es immer ein Spagat ist, den ich machen muss.
Die Gruppe da, mit diesen ganzen angehenden Bachelors Of Sience und Bachelors of Arts, den paar Anfangsstudenten, die Wartesemester oder eine Ausbildung abgesessen haben und einzelnen Berufstätigen.
Sitzen so rum, diese Erwachsenen und ich, in der Stammkneipe, haben sogar eine Stammkneipe, wir, und während ich mich darüber wundere, dass ich einfach so mein Getränk bekomme, fällt mir wieder ein,dass ich ja alt genug dafür bin. Sehe mich um, in ihren Gesichtern, und einer erzählt da was von Verloben und der Student jammert wieder, wie alt er doch ist, sein Cousin ist letztens Vater geworden.

Die Katze liegt wieder neben mir, so wie am Anfang dieses Eintrags, sie döst so vor sich hin und atmet und schnurrt ganz leise, und mir bleibt jedes mal fast das Herz stehen, wenn ihr Atem einen Tick zu lange aussetzt, während sie einschläft.
Auch Katzen können graue Haare bekommen, er hat ein paar, verteilt über seine schwarzen Flecken und auch in den Streifen. Bestimmt auch in den weißen Abteilungen,aber da sieht man es nicht so gut.
Mein Vater hat auch graue Haare, eigentlich ist der Weg von Naturhaarfarbe zu grau abgeschlossen und der nächste, von grau zu weiß,läuft gerade ab zusammen mit ein bisschen mutmaßlichem Haarausfall, der aber auch einfach ein schlechter Haarschnitt (seine Locken sind der Feind eines jeden Friseurs) in Kombination mit einem Wirbel sein kann.

An der Wand hängt das Foto vom Tanzkursabschlussball vor über zwei Jahren.
Was kamen wir uns erwachsen vor, als es darum ging, Tanzpartner zu suchen, und als wir dann fotographiert wurden.
Und dann die Elterntanzrunden, mein Vater und ich haben einfach beide getanzt, die für Mutter und Sohn und die für Vater und Tochter, und die Erinnerung daran,dass er gegens Tanzen eine genauso große Abneigung hat wie ich und es auch genauso wenig beherrscht wie ich, war gerade irgendwie sentimentalitätsauslösend.
Damals hat er seine Freundin noch nichtmal gekannt und ich habe mit einem Mädchen getanzt, weil wir zu viele waren und die Jungs, die die Auswahl hatten, irgendwie alle anderen cooler fanden als mich.
Ich hab mich den ganzen Kurs lang gefragt, warum ich mir den Mist eigentlich antue, auch am Abschlussball noch, besonders als ich mir nicht sicher war, ob mein Kleid und absolutes underdressed-Sein jetzt Scham oder "so what" bei mir auslösen sollten.

Neben dem Bild steht mein Bücherregal und im Bücherregal sind auch die Jahresberichte.
Als wir in der fünften waren, sahen die 10. so erwachsen aus, und die Abiturienten erst.
Und jetzt? Unvorstellbar, dass die Abiturienten so alt und erwachsen sein sollen. Und die, die gegangen sind erst.
Damals, in der fünften, sah die Oberstufe so erwachsen aus. Unvorstellbar,mit ihnen zu reden.
Jetzt stehe ich neben der alten Sache in der Absteige oder werde vom Studenten angegeigert, bin im Februar auf einer Hochzeit eingeladen und vor zwei Jahren ist eine Klassenkameradin aus der Grundschule gestorben.

Sogar auf der Gesichtscreme steht jetzt eine andere Altersklasse drauf, und ich vollziehe nebenher ein bisschen die Entwicklung von "uwääääääh" hin zu "halbwegs passabel".
Verrückte Welt, ich erkenn mich nicht wieder.


Doch alles Gerede macht im Endeffekt nichts außer diesen sowieso schon viel zu langen Eintrag noch länger;da sieht man mal,was passiert, wenn ich Musik höre und einfach schreibe.
Sollten Sie inzwischen eingeschlafen sein, verzeihe ich Ihnen, präzise und knapp formulieren war noch nie meins, wenn mir schon mal jemand zuhörte, der sich als Freund herausstellte, wollte ich gerne erzählen und reden und auch zuhören, aller Teilzeitmenschenphobie zu Trotz.
War irgendwie nie so das Wahre, und ich habe gelernt, dass man den Leuten gegenüber nicht offen sein sollte. Man muss die Arme verschränken und grimmig gucken und darf nicht zu viel reden, denn alles, was man sagt, kann und wird gegen einen verwendet werden, genau dann, wenn man es am wenigsten erwartet.
Manchmal mache ich das trotzdem, einfach erzählen, nicht von den tiefsten Abgründen, aber das,was ich denke.
Es wird seltener, das einfach erzählen; ich vertraue ja nicht einmal der Feindin, und das ist eigentlich eine traurige Sache.

Dafür bin ich dazu übergegangen, mir selbst zu vertrauen, ganz vorbehaltslos aufs Bauchgefühl zu hören, und auch, wenn in dieser Zeit einiges verloren gegangen ist, ausdiskutiert wurde, unterging und schwieriger wurde, ist das bisschen an positivem, was passiert ist, auch ganz nett und eventuell ein Grund, weiter so vorzugehen.

Against all odds, manchmal gegen mich selbst, und denken Sie sich jetzt bitte ein möglichst dramatisches Ende für diesen Eintrag.

Ich werde jetzt nämlich auf den "veröffentlichen"-Knopf drücken, weil mein Großvater zum dritten Mal runtergekommen ist und mein Vater nicht mehr die Nerven hat, sich das alles zum fünften Mal anzuhören, weshalb Großvater Mayhem gleich an meiner Tür klopfen und es mir zum siebten Mal erzählen wird.