Freitag, 6. Januar 2012
Gelobt sei die Referrer-Geschichte, aber sollte es mir zu denken geben, wenn anscheinend jemand auf der Suche nach "Füße saugen Stories" hier bei mir landet? Sehr geehrter Sucher, Fußsaugspielchen zählen nicht zu den von mir favorisierten Paaraktivitäten, Sie werden also weiter suchen müssen.

Zu meinen nicht favorisierten Events gehört das, was heute wieder anstand.
An nichts böses denkend, nichtmal von bösen Träumen geschüttelt, schlummerte ich friedlich vor mich hin, als mit einem Mal der schrille Ton der Türklingel meinen wohlverdienten Schlaf durchschnitt, gleichzeitig spürte ich etwas, das sich nach einem festen Schlag in die Magengrube anfühlte und wollte schon zur Selbstverteidigung übergehen, als ich den "Schlag" als meine Katze identifizierte, die, vermutlich vor lauter Schreck über die Klingel, vom Schrank herunter- und auf meinen Bauch gesprungen (oder gefallen?) war.
Wieder Klingeln.
Ich schubste die protestierende Katze auf den Boden, tappste halb blind durch das Licht, das mir mit dem Öffnen meiner Zimmertür entgegenschlug, Richtung Haustür, stolperte dabei über das mich begleitende Fellknäuel, dass jetzt penetrant anfing, sich zu beschweren, weil die Dosenöffnerin/Trockenfutterdosiererin schließlich "wach" war, und hängte mich an die Sprechanlage.
"Hmmm?"
Stille am anderen Ende der Anlage. Oh wie super.
Ich beschloss, erst die Katze zu füttern und war schon wieder auf dem Rückweg in mein warmes Bett, als es zum dritten Mal klingelte und mein Blick auf den Kalender fiel. Da stand es, sechster Januar. Dreikönig.
Sternsinger!
In meiner Phantasie hörte ich bereits meinen Großvater die Schrotflinte durchladen und fragte mich, wieso die Selbstschussanlagen vor der Haustür nicht funktioniert hatten, bis mir einfiel, dass wir die ja nur in der Theorie aufgestellt hatten.
Viertes Klingeln. Meine Fresse, waren die penetrant.
Als ich die Haustür öffnete, erstarrten sie mitten in der Bewegung, was ganz lustig aussah, weil sie wohl gerade zu einem Lied angesetzt hatten, und so starrten mich vier kleine Kinder mit offenen Mündern an,während der sie begleitende Erwachsene etwas verunsichert wirkte.
"Haben wir dich jetzt etwa geweckt?", fragt er ganz überrascht.
Nein natürlich nicht, mein Rolladen ist immer komplett unten und ich öffne jedem, der vorbeikommt, die Tür mit ungekämmten Haaren, in Boxershorts und zu großem Shirt, barfuß und mit Katzenfutterpackung in der Hand.
"Ja."
"Oh, das tut uns aber leid." Lügner.
"DU hast nur eine halbe Augenbraue!", ruft der Stern aus und deutet auf meine rechte Gesichtshälfte.
"Ja, ich war auch mal Sternträger, so wie du.. und dann gab es einen Unfall". Ich bemühe mich, den zweiten Satzteil möglichst gruselig klingen zu lassen, der kleine Stern wirkt auch sehr erschrocken und lässt fast die Holzkonstruktion, die er mit sich herumschleppt, fallen.
Unauffällig streiche ich ein paar Haarsträhnen über die noch nicht rekonstruierte Augenbraue (Meine Güte, ich habe geschlafen!), die nicht durch einen Sternsinger-Unfall sondern durch noch nicht verarbeitete Aggressionen beim Zurechtmachen entstanden ist.
Die Begleitperson guckt mich böse an, ich ziehe nur meine andere, noch komplette Augenbraue hoch.
Ich war auch mal Sternsinger, ich kenne das Geschäft.
Wir waren damals älter als die jetzigen, zwischen zehn und 14 meistens, und wir hatten noch einen richtigen Text, nicht ein seltsames Lied so wie das, was mir die Kindergartenfraktion jetzt vorsang. Hm.
Insgesamt segneten sie das Haus aber dreimal, vielleicht bringt es ja was.. auch wenn ich das "Wir wünschen euch ein gesegnetes ( ganz böse Sternsinger sangen auch mal "verregnetes" )Jahr, Kaspar, Melchior und Balthasar" ein bisschen vermisst habe.
Die erwachsene Begleitperson schrieb dann noch eine 12 über die entsprechende Stelle des Segnungsspruches vom letzten Jahr, dann drückte ich ihnen das Geld, das ich von meinem Großvater aus spenden sollte, in die Hand und wollte die Tür schon wieder zuschlagen, als die Begleitperson ihren Fuß dazwischen stellte und meinte "Na na, wir sind noch nicht fertig".
"Is ja toll ",murmelte ich und gab den Kindern noch die 2 Euro Extrageld, das nicht für die Sternsingeraktion, sondern für sie selbst bestimmt war.
Wir sind damals von dem Geld Pizzaessen gegangen, die ganze KLJB. KLJB, das heißt katholische Landjugendbewegung und klingt gefährlicher, als es ist; man war natürlich auf Toleranz bedacht und erlaubte es manchmal sogar,man glaubt es kaum, Evangelischen, mitzumachen.
Ich bin gelegentlich hingegangen, nicht, weil ich so gläubig gewesen wäre, sondern weil ich die Bastelnachmittage cool fand und manchmal Buntstifte oder Süßigkeiten mitgehen ließ.
Irgendwann habe ich mich dann mal bereit erklärt, auch Sternsinger zu sein, nach dem einen Mal hatte es mir aber gereicht, weil die anderen gemein waren und man mir ohne mein Wissen eine andere Rolle zugeteilt hatte, was sich an der Generalprobe etwas doof machte,als ich da mit braun angemaltem Gesicht und Rettungsdecke als Umhang auftauchte und ausgelacht wurde, weil ich doch eine andere Rolle bekommen hatte und jetzt König Kaspar war.Den Anfang meines Textes kann ich aber auch nach sieben oder acht Jahren noch.
Die Kinder, die jetzt da rumstanden, waren maximal 7; anscheinend waren keine "Großen" irre genug gewesen, singend durch das halbe Dorf zu ziehen, auch nicht, als man ihnen Pizzaessen versprochen hatte.
So musste auch die Begleitperson die Tür neu beschriften, die Kleinen konnten ja nicht. Wir hatten das damals selbst gemacht.
Erinnerten mich an diese einen South Park-Folge, in der Stan (oder war es Kyle?) eine Kindereishockeymannschaft trainiert. So klein waren die Sternsinger. Nur war ihre Begleitperson kein Viertklässler, sondern irgendein übermotivierter Vater, der Wert darauf legte, dass sein Kind am Dorfleben teilnimmt. Das arme Kind, es würde bestimmt sehr verstört enden und niemals ein normales Leben führen können.
Inzwischen war auch die letzte Segnungsrunde, diesmal im Namen des Chefs von oben persönlich, vollendet und als ich mich zu einem freundlichen Lächeln durchrang, sahen die Kinder aus, als würden sie mir jeden Moment gleichzeitig vor die Füße spucken (größer waren sie ja nicht), entschieden sich aber offensichtlich, es sein zu lassen und zogen ab.
Kurz, bevor die Haustür wieder zu war, drehte sich der Stern nochmal zu mir um.
"Duhuu?"
-"Jahaa?" Du kriegst kein Katzenfutter. Vergiss es. Nein, man.
"Du musst mir die Daumen drücken, dass mir nicht auch sowas passiert wie dir." Als sie meinen leicht irritierten Blick sieht, fügt sie hinzu: "Und viel Glück für die Augenbraue".
Eins zu Null fürs Kind.