Freitag, 27. Januar 2012
Thema: monolog
Nicht-Warhhaben-Wollen, das ist es.
Während ich ihn so anstarre...ungläubig(?), macht es klick und ich kann das Gefühl, oder eher den Mangel an Gefühl, definieren. Verdrängung, die sich bei mir mit der Zeit zu einem richtigen Reflex weiterentwickelt hat.
So starre ich ihn in gemeinsamen Freistunden an, gelegentlich schaut er zurück, wie immer, und er hört Musik, wie immer, und überhaupt ist alles wie immer, während ich versuche, mir das Gegenteil begreiflich zu machen.
Deshalb ist da auch kein Überschmerz. Weil ich es immernoch nicht wahrhabe(n kann/will).
Als er in der letzten Freistunde extra hierbleibt, um dann sie und ihre Freundinnen heimzufahren, ist das seltsam.
Surreal, ein bisschen.
Nur, als sie zusammen zum Auto laufen, er sein Zeug reinwirft und ihre Sachen sorgsam im Kofferraum deponiert, da tut es ein bisschen weh.
Dabei sind sie zum Glück kein Überpärchen, nichtmal ihre Hand hält er, aber ich weiß ja, dass er Überpärchensein in der Öffentlichkeit nicht mag.
Mein Kaffee und ich, wir lehnen so am Bushaltestellenschild und sehen zum Auto rüber, mit ein wenig Melancholie, ein wenig Traurigkeit und ein wenig Schmerz.
But now it's over...
Ich reiße mich los von ihrem Anblick und mache mich auf den Weg zurück zur Schule, bin eine derjenigen, die sich bereit erklärt haben, noch schnell beim Ausräumen des ehemaligen Hausaufgabenraumes, der jetzt ein weiteres Zimmer für Lehrer-Eltern-Gespräche werden soll, zu helfen.
Nächstes Jahr ist er weg und seine Freundin eine derjenigen, die sich das Oberstufenzimmer mit meiner Stufe teilen.
Schlittere so den Weg entlang, denke, wenigstens ist kein Mitglied der Blondinenfraktion mehr da und habe fast sofort einen Ansatz von schlechtem Gewissen, weil ich Blondine 1 nicht zugehört habe, als sie immer wieder meine Versuche, es zu begreifen, mit neuesten Fakten aus ihrem Liebesleben, Geschichten von ihrem Kampfdackel,Hinweisen in Richtung "gib dem halbschwulen Fotographen doch endlich eine Chance" und anderen wichtigen Aussagen unterbrach.
Ich berufe mich darauf,dass ich auch nur ein Mensch bin, ein ziemlich labiler eigentlich noch dazu.
Ja, wirklich. Eigentlich bin ich sehr leicht aus der Bahn zu werfen und über-verletzlich, ich komme im realen Leben nur nie dazu.
"Frau Mayhem, könnte ich dich dann ganz kurz sprechen?" Die Lehrkraft, die die Ehre hatte,mein wunderbares Portfolio vor den Latz geknallt zu bekommen, steuert mit schwerfälligem Gang auf mich zu.
-"Ich muss eigentlich mithelfen beim Aufräumen..."
"Das haben die schon fertig. Es geht um dein Portfolio, kurze Nachbesprechung". Hui, da liest aber jemand schnell.

Der Betreuungslehrkraftmensch stirnrunzelt mich über den Rand seiner rundglasigen Brille hinweg an.
"Psychatrie also? "
-"Ja".
"Hast du nicht gesagt, genau das willst du nicht machen? "
-"Ja." Danke, ich weiß auch selbst,dass ich seltsam bin.
"Naja, ich meine ja nur. Du könntest auch Medienpsychologie machen..."
-"Ich will mein Geld aber nicht damit verdienen, andere Leute zu einer anderen Meinung hinzumanipulieren oder ihnen zu erzählen,dass sie genau das eine Produkt unbedingt brauchen. Und das andere da, und das nächste.."
"Du denkst zu rücksichtsvoll. Sicherere Einnahmequelle wäre es, klinische Psychologie geht zurück."
-"Ich weiß, das habe ich in meinem Vortrag ja auch erwähnt. "
"Psychotherapeutin müsstest du ja dann machen, das kostet auch ganz schön Geld, du mussts aber machen,wenn du überhaupt was finden willst.."
-"Vorausgesetzt, ich überstehe das Grundstudium."
"Mathe immernoch nicht deine Stärke?"
-"Nein."
Es wird weitergeblättert.
"Deine Begründung für den Beruf...nichts anderes hätte ich erwartet."
-"Wieso das?" Bin ich wirklich so berechenbar?
"Was das angeht, bist du ziemlich berechenbar." Na danke. "Das muss nichts schlechtes sein, es war nur sehr offensichtlich, das du so etwas schreiben würdest."
Was haben Sie erwartet, kreative Geistesergüsse? Ich habe das innerhalb von eineinhalb Stunden in tiefster, dunkelster Nacht (mehr oder weniger) verfasst.
-" Wieso war es denn offensichtlich?"
"Das kannst du dir bestimmt denken. Hier hast du es jedenfalls wieder, die äußere Form ist in Ordnung, die Mappe nicht mehr ganz neu, aber ich hoffe, dass eine echte Bewerbung dann besser aussieht, auch,wenn die, wie du im Lebenslauf geschrieben hast, wohl frühestens 2019 rausgeht."
Mit einer Husch, Husch!-Bewegung werde ich aus dem Büro bugsiert und im wahrsten Sinne des Wortes vor die Tür gesetzt.
Draußen wirbeln Schneewolken durch die Asphaltprärie und ich bringe es sogar fertig,meinen Bus noch zu erwischen, zum Glück gibt es Busfahrer, die warten, wenn man, mit einem schwarzen Schnellhefter wedelnd und dabei fast den Rest (Tasche, Ordner, Jacke, Tragetasche) verlierend hinter seinem Gefährt her rennt.
Natürlich legte ich dabei die übliche Eleganz an den Tag.

"Deine Begründung für den Beruf..nichts anderes hätte ich erwartet."
Vielleicht bin ich ja berechenbar. Oder das ist wieder so eine Logiksache,dann bin ich aus der Nummer draußen, logisches Denken beherrsche ich in etwa so gut wie Norwegisch. Oder Mathematik.
Vielleicht erschließt es sich ja irgendwie aus dem logischen Zusammenhang, dass meine Bewerbung sagt, ich interessiere mich für die menschliche Psyche und was sie beeinflusst, habe beim roten Kreuz Erfahrungen mit Menschen in Krisensituationen und Problemfällen gesammelt, beherrsche die Gratwanderung zwischen routiniertem Zupacken und sensiblem Verständnis,wenn es um Kontakt mit den Problemfällen geht, und die einzige sinnvolle Schlussfolgerung aus diesen Fakten ist, dass ich diejenige werde, die sich um die verstörten Jugendlichen, Drogenabhängigen, und die gescheiterten Existenzen kümmert.

"Sag mal,war das klar, dass ich sowas schreibe?"
Am anderen Ende der Leitung ist die alte Sache, der, als er hörte, dass ich am Telefon bin, seiner Schwester das Gerät entwendet und sich selbst drangehängt hatte, und der, nachdem ich kurz gezögert hatte, das Anschreiben vorgelesen bekam.
-"Ja." Gesprächig wie immer.
"Und warum?"
-"Naja. Du bist so ein..menschlicher Mensch. Ich glaube,wenn es eine Person gibt, die sagen darf, dass sie immer da ist, bist du das. Du verstehst solche Sachen auch immer,wenn es einem schlecht geht. Und solche Leute. Vielleicht hilft das denen,wenn sie wissen,dass jemand da ist, der sie versteht. Vielleicht gehts denen dann besser."
"Meinst du?"
-"Ja, außerdem siehst du immer,was los ist..das ist schon geistiges sezieren", lacht er. "Ich glaube, das muss man da können. Geistig sezieren, verstehen und helfen."
"Ich werds versuchen, dann. 2019 oder so."
-"So spät erst?"
"Alte Sache, ich bin noch nichtmal 18."
-"Achso, stimmt ja, du bist ja n Stück jünger als ich..ich vergesse das immer wieder."
"Passiert."
-"Was passiert?" Am anderen Ende wieder die Stimme der Schwester.
"Wo hast du die alte Sache hin?"
-"Der muss lernen. Wollte nur Tschüss sagen, ich muss auch gleich weg. Was ist eigentlich mit dem Kerl da, ich glaube, er heißt Problem? Du meintest ja, der wäre irgendwie was besonderes, hat sich da was für dich ergeben?"
Ich lege auf.






Thema: monolog
Menschen.
Menschenmenschenmenschen.
Sind eine Einheitsmasse, die so an mir vorbeiplätschert, als ich zum Fotomenschen laufe, eigentlich mit dem Vorsatz, meine Kamera abzuholen, praktisch ist es irgendwie eine Art Verdrängung.
Und während ich so laufe, erst auf dem Gehsteig vorbei am Drogeriemarkt, der Tankstelle und dem Supermarkt, dann über das Kopfsteinpflaster der Altstadt, wo es so wirkt, als würden sich die Dächer der Fachwerkhäuser über meinem Kopf berühren, wiederhole ich es ein paar Mal in Gedanken.
"Das Problem, was ist eigentlich mit dem? " -"Ach,der ist bestimmt bei seinem Mädchen. Der ist ja nur noch bei der".
Der simple Abiturientendialog, heute gehört beim Anstehen für einen weiteren Mensabon.
Der Dialog, der es bestätigt hat und den ultimativen Zusammenbruch hätte auslösen sollen, aber stattdessen bin ich von der Mensa sofort Richtung Altstadt gelaufen, habe mich im Laden abweisen lassen,Komplikationen, S.amsung hat die Kamera ohne Begründung zurückgeschickt,nicht repariert, habe es dabei die ganze Zeit in mein Hirn hämmern wollen.
In Gedanken ständig wiederholt, den Satz. Das Bild heraufbeschworen, wie sie so dasaßen, vor den Ferien.
Geistig auf mich eingeprügelt, um ein Gefühl aus mir herauszukriegen, aber das Problem ist, ich will es nicht wahrhaben.
Mein Verstand macht dicht und will es nicht begreifen, und als mir das so auffällt, während ich am Reformhaus vorbeilaufe, hat das was resignationsauslösendes.
Dass mein Herz nicht verstehen will, kenne ich ja.
Et tu, Gehirn?
Sogar du?
Ich weiß nicht,was ich sagen soll.
Es wäre gut,wenn ich es begreifen würde, dann könnte ich heulen und schreien, depressive Lieder schreiben, die nie jemand zu Gesicht bekommen wird und irgendwann wäre es verarbeitet, aber dieser Verdrängungsreflex...
"Morgen" Eine ehemalige Mathelehrkraft steht gerade vorm Schuhgeschäft und hat mich gegrüßt.
-"Morgen." Laufe weiter.
Freundin.Freundinfreundinfreundin.Er. Hat eine Freundin. Eine feste. Sie. Das Mädchen. Sie hört David Guetta. Und verwendet zu viel Make Up, obwohl sie mit weniger davon sehr hübsch ist.

Die, die besser ist als ich, hört David Guetta.
Können Sie sich das vorstellen? Verstörend.
So produziert mein Hirn munter weiter dumme Aussagen, während der emotionale Rest sich völlig enthält und wohl in den Winterschlaf gefallen ist; lediglich ein kleines bisschen Schmerz ist da,und so betrete ich das Schulgelände wieder, ohne einen Nervenzusammenbruch erlitten zu haben, und eine einzelne Schneeflocke fällt mir auf die Nase, als ich nach oben blicke, um abzuschätzen, ob ich mich darüber aufregen sollte, meinen Schirm daheim vergessen zu haben.
Die einzelne Schneeflocke hat ihre Freunde mitgebracht, und so bleibe ich noch ein wenig draußen sitzen, während sie langsam den Boden bedecken und ein paar Fünftklässler fangen spielen.
Zum Glück, endlich wieder mal normale Fünftklässler, nicht so verkorkste, wie wir das damals waren. Oder so seltsame,wie ich das war.
Auf einer Bank sitzt das Mädchen mit einer Freundin und blättert durch eine Zeitschrift, irgendwann gehen Freundin und Zeitschrift und sie bleibt alleine sitzen.
Den Schnee, der sich auf meine Schultern als ganz dünne Schicht gesammelt hat, schiebe ich langsam weg und gehe auch, nicht durch den Haupteingang, dafür hätte ich an ihr vorbei gemusst, sondern den anderen Weg. Will nicht mitbekommen, wenn sie da eventuell verpärchend mit dem Problem herumsitzt.
Überhaupt, wieso muss das jetzt passieren?
Es wäre ja zu einfach gewesen, zu leicht für mich,wenn wir uns einfach aus den Augen verloren hätten und er sich dann irgendeine gesucht hätte.
Die einfachen Lösungen, die sind ja immer für die anderen reserviert, ich bekomme immer den Mist zugeteilt.

I've been waiting for a guide to come and take me by the hand...
Meine eingeschneite Jacke und ich, wir liegen auf dem Gammelsofa im Gammeloberstufenzimmer und starren die Decke an, während die Heizung dafür sorgt, dass die weißen Eiskristalle flüssig und meine Haare somit nass werden, und währenddessen warten wir auf den ultimativen Zusammenbruch und veranstalten eine Art Rückschau.
In der Rückschau taucht es alles auf, die ganzen Sachen, die in mein Leben gestopft wurden, weil die einfachen ja für den Rest der Welt reserviert waren, und damit nicht doch irgendeine Gefühlsregung für die Außenwelt sichtbar wird, schließe ich die Augen und konzentriere mich auf meine Atmung. Musik ganz laut machen, Rest ausblenden, Atmen.
Einfach weiteratmen.
Nichts anderes. Runterschlucken, das Gefühlszeug.
Ganz tief vergraben, irgendwo in mir drin, wo es nie wieder ohne Hilfe rauskommt.
Das umsetzen, was ich dem Student immer sage: Ich habe nicht vor, mich in irgendwen zu verlieben.
Das, was ich mir schon bei der alten Sache vorgenommen habe:Es einfach nicht zulassen.
Das ganze Ding,einfach ignorieren, wegwerfen.

Das werde ich tun, denke ich so bei mir. Und ich nehme das Gefühlszeug, den ganzen Klumpen mit diesen Sachen,die ich ja doch nie aussprechen oder gar zeigen kann, trage ihn ganz weit weg und vergrabe ihn mehrere Meter tief im Boden, um sicher zu gehen,dass er nicht wieder rauskommt, auch,wenn er schreit.
Bis die Blondinenfraktion auftaucht, habe ich ihn fertig vergraben und bin schon wieder da, und sie merken nicht,dass da was fehlt; so höre ich mir die üblichen Beziehungsgeschichten und Lebensdramen an,lächle an den passenden Stellen, bin aber geistig irgendwie gelähmt.
Und das Herz, das ist auch ruhig; da ist nicht einmal Genervtsein, da ist einfach garnichts.

Solange der Schmerz bei der Leere fehlt, werde ich sie wohl kultivieren.
Ich kultiviere die Leere, während ich darauf warte, dass ich endgültig zusammenbreche und/oder/weil der Gefühlsklumpen doch irgendwie wieder freikommt..


Die alte Sache sagte mal,faszinierend an mir sei unter anderem, dass ich es schaffen würde, andere Leute zu stützen, obwohl mir selbst jegliche Stabilität fehlt.